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Eberhard Freiherr von Künssberg:
Schon das bloße Dazulegen eines Messers, wie eines andern
schneidenden Gerätes, z. B. einer Schere, kann Übles verhüten.
In das Wochenbett1 und ebenso in die Wiege2 eines noch ungetauf-
ten Kindes wird ein Messer gelegt. Das Mitsicliführen eines Messers
ist schon ein gewisser Schutz, auch vor Gericht: Nach dem Volks-
glauben bekommt man vor Gericht recht, wenn man ein Messer
ohne Scheide in der Tasche hat3. Bei andern Völkern muß der
Bräutigam4 eine eiserne Waffe bei sich haben, sei es während der
ganzen Hochzeitsfeierlichkeit, sei es beim Betreten des Hochzeits-
gemachs. Deutscher Volksglaube rät der Wöchnerin, noch vier
Wochen lang ein neues Messer bei sich zu haben5. Aber der Bräuti-
gam und auch der Taufpate sollen besser kein Messer mit sich
führen, um das Eheband nicht zu schädigen oder dem Täufling
Schaden zu tun6.
Eine augenfällige Form des abergläubischen Schutzes durch
ein Messer ist das Messerstecken. Mari stößt ein Messer in die
Stubentüre zum Schutze eines Neugeborenen gegen böse Geister
und unbekannte Gefahren und läßt es dort bis zur Taufe stecken7.
Nach bayrischem und Schweizer Volksglauben sichert ein in die
Stubentür gestecktes Messer den Leuten ruhigen Schlaf8. Stößt
man ein Messer über die Stalltür, so ist das Vieh gegen Hexerei
geschützt9.
Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts hat ein Hexenbanner
im Lechrain folgende Prozedur vorgenommen10: ,,Um zu wissen, ob
das Vieh behext ist, wird ein Messer in die Stalltürschwelle gesteckt
und auf die Klinge geweihtes Osterbrot gelegt. Fehlt es im ganzen
Stall, so fällt das Brot herunter und die Klinge bricht ab. Fehlt
es nur bei einzelnen Viehhäuptern, so dreht sich nur das Brot. Das
Messer selbst aber muß an St. Johannstag inner 11 und 12 Uhr
1 Samter, Geburt, Hochzeit und Tod, 1911, S. 48ff.
2 Brand, Populär Antiquities of Great Britain, 1855, II 73. III 250;
Heckscher, Volkskunde des germanischen Kulturkreises 381.
3 Grimm, Deutsche Mythologie, 4. Ausgabe, III 444, Nr. 295.
4 In Indien: Frazer, Folklore in the Old Testament, 1919, I 521. 523.
5 Handwörterbuch d. d. Aberglaubens VI, 195.
6 Drechsler, Sitte, Brauch und Volksglauben in Schlesien I (1906) 259;
Folklore 47 (1936), 320; Wuttke, Der deutsche Volksaberglaube3, § 593.
7 Wuttke, Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart3, § 581.
8 Sartori, Sitte und Brauch II, 24; Schweizerisches Idiotikon IX, 93.
9 Gleissner, Alter Glaube / Oberpfalz 17 (1923), 140; Mailly, Rechts-
altertümer, 1929, S. 53.
10 K. Frhr. v. Leoprechting, Aus dem Lechrain, 1855, S. 28.
Eberhard Freiherr von Künssberg:
Schon das bloße Dazulegen eines Messers, wie eines andern
schneidenden Gerätes, z. B. einer Schere, kann Übles verhüten.
In das Wochenbett1 und ebenso in die Wiege2 eines noch ungetauf-
ten Kindes wird ein Messer gelegt. Das Mitsicliführen eines Messers
ist schon ein gewisser Schutz, auch vor Gericht: Nach dem Volks-
glauben bekommt man vor Gericht recht, wenn man ein Messer
ohne Scheide in der Tasche hat3. Bei andern Völkern muß der
Bräutigam4 eine eiserne Waffe bei sich haben, sei es während der
ganzen Hochzeitsfeierlichkeit, sei es beim Betreten des Hochzeits-
gemachs. Deutscher Volksglaube rät der Wöchnerin, noch vier
Wochen lang ein neues Messer bei sich zu haben5. Aber der Bräuti-
gam und auch der Taufpate sollen besser kein Messer mit sich
führen, um das Eheband nicht zu schädigen oder dem Täufling
Schaden zu tun6.
Eine augenfällige Form des abergläubischen Schutzes durch
ein Messer ist das Messerstecken. Mari stößt ein Messer in die
Stubentüre zum Schutze eines Neugeborenen gegen böse Geister
und unbekannte Gefahren und läßt es dort bis zur Taufe stecken7.
Nach bayrischem und Schweizer Volksglauben sichert ein in die
Stubentür gestecktes Messer den Leuten ruhigen Schlaf8. Stößt
man ein Messer über die Stalltür, so ist das Vieh gegen Hexerei
geschützt9.
Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts hat ein Hexenbanner
im Lechrain folgende Prozedur vorgenommen10: ,,Um zu wissen, ob
das Vieh behext ist, wird ein Messer in die Stalltürschwelle gesteckt
und auf die Klinge geweihtes Osterbrot gelegt. Fehlt es im ganzen
Stall, so fällt das Brot herunter und die Klinge bricht ab. Fehlt
es nur bei einzelnen Viehhäuptern, so dreht sich nur das Brot. Das
Messer selbst aber muß an St. Johannstag inner 11 und 12 Uhr
1 Samter, Geburt, Hochzeit und Tod, 1911, S. 48ff.
2 Brand, Populär Antiquities of Great Britain, 1855, II 73. III 250;
Heckscher, Volkskunde des germanischen Kulturkreises 381.
3 Grimm, Deutsche Mythologie, 4. Ausgabe, III 444, Nr. 295.
4 In Indien: Frazer, Folklore in the Old Testament, 1919, I 521. 523.
5 Handwörterbuch d. d. Aberglaubens VI, 195.
6 Drechsler, Sitte, Brauch und Volksglauben in Schlesien I (1906) 259;
Folklore 47 (1936), 320; Wuttke, Der deutsche Volksaberglaube3, § 593.
7 Wuttke, Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart3, § 581.
8 Sartori, Sitte und Brauch II, 24; Schweizerisches Idiotikon IX, 93.
9 Gleissner, Alter Glaube / Oberpfalz 17 (1923), 140; Mailly, Rechts-
altertümer, 1929, S. 53.
10 K. Frhr. v. Leoprechting, Aus dem Lechrain, 1855, S. 28.