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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 3. Abhandlung): Messerbräuche: Studien zur Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42022#0090
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Messerbräuche. Studien zur Rechtsgeschichte und Volkskunde 87

Auch das Losen mit Messern, von dem uns die Ordnung des
Muswiesenmarktes (nach dem Salbuch von Mußdorf von 1530)1 be-
richtet, könnte das Spiel ,,Mal oder Unmal“ sein; namentlich, da
es neben dem Losen mit Pfennigen genannt ist, bei dem ein Geld-
stück in die Luft geworfen wird, wobei dann ,,Schrift oder Kopf“
entscheidet. Der Text erwähnt drei Losarten nebeneinander, ohne
sie näher zu beschreiben; offenbar weil sie alle geläufig und jedem
Interessenten bekannt waren. K. 0. Müller beschreibt nun das
Messerlosen so: „Die Leute stellten sich um einen Tisch, auf dem
ein liegendes Messer in Drehung versetzt wurde. Auf wen die
Messerspitze wies2, der erhielt den nächsten Stand. Natürlich
konnte gleichzeitig an mehreren Tischen gelost werden, daher auch
der Plural „mit Messern“ (es handelt sich um das Auslosen der
Marktstände). Das ginge also in der Art eines Glücksspieles vor
sich. Vielleicht hätte man die zwei bis drei Messerspieler, die unter
den Marktbesuchern des Jahres 1618 erwähnt werden3, sich als
Unternehmer von dergleichen Glückspielen zu denken, wenn es
nicht Messerwerfer, also Artisten waren.
Herr K. 0. Müller macht mich noch auf eine Art Geschick-
lichkeitsspiel auf Märkten aufmerksam: Man wirft mit Ringen nach
einem Brett, auf dem Messer aufgespießt sind.
Eine Sage aus dem Lechrain4 erzählt:
Als Bauernkinder auf der Wiese „Messerl, Messerl, tu dich
kehren“ spielten, kam einmal das in die Luft geworfene Messer
nicht mehr herunter, sondern hinter ihnen stand ein winzig kleines
Hojemännl, das Messer zwischen den Zähnen und grinste die Kinder
an, daß sie entliefen.
Die Quelle, die vom Aberglaubenwörterbuch genannt wird, war
mir nicht zugänglich. Daher konnte ich nicht nachprüfen, welches
Spiel hier in Frage kommt. Aus dem in-die-Luft-werfen möchte
ich wieder auf „Mal und Unmal“ schließen. Vielleicht ist es aber
eine Art Messerpecken.
1 Karl Otto Müller, Geschichte des Muswiesenmarktes / Württem-
bergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte, Neue Folge 33 (1927),
S. 79. 83.
2 Hier darf an zwei abgeblaßte Ausläufer dieses Lösens erinnert werden.
Wenn man im Wirtshaus einem die Zahlung der Zeche zuschieben will, ge-
braucht man wohl die Redensart „Das Messer zeigt zu Ihnen!“ Ebenso, wenn
man beim gemeinsamen Essen jemand nötigen will, sich zuerst zu bedienen,
sagt man „Das Messer (oder der Vorleglöffel) zeigt zu Ihnen!“
3 K. O. Müller, a.a.O., 98.
4 Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VI, 194.
 
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