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Ludwig Baur Cusanus-Texte: III. Marginalien
in De non aliud identisch ist. Aber was auch der Grund dafür
sein mag: es kann die Tatsache selbst nicht aus der Welt schaffen,
daß der Areopagite für die Gedankenwelt des Cusaners eine
hohe Bedeutung hatte. Der Weg, auf dem die Areopagitischen
Schriften und ihre mystische Theologie zu Nicolaus Cusanus
gekommen sind und ihren weitgehenden Einfluß auf sein ganzes
theologisches Denken, ja auf seine ganze Geistesrichtung und
Geisteshaltung gewonnen haben, läßt sich genau verfolgen:
Der Cusaner befand sich schon frühe im Besitz eines griechi-
schen Exemplars des Areopagiten. Er selbst gibt dafür Zeugnis in
einem Brief an den Abt und die Mönche von Tegernsee aus Branzoll
unter dem Datum des 14. September 1453, wo er schreibt: ,,Habeo
textum Dionysii proxime optime per quendam amicissimum meum
translatum (gemeint ist die lateinische Übersetzung des Ambro-
sius Traversari vom Jahre 1436), qui mihi sufficit. Misi simi-
liter pro libro meo Graeco Florentiam; talis est textus
Dionysii in Graeco quod non opus habeat glossis; ipse
se ipsum multipliciter explanat.“ (Vansteenberghe, ep. 5
S. 116 f.). — Daraus geht eindeutig hervor, dass die dem Nicolaus
gehörige griechische Handschrift, die übrigens in der Bibliothek
des Cusaners heute nicht enthalten ist, im Jahre 1453 zu Florenz
war und dort zu seiner Verfügung stand. Man wird es mit Van-
steenberghe, Le Cardinal Nicolas de Cues. Paris 1920 S. 117,
Anm. 1 und M. Honecker, Nicolaus von Cues und die griechische
Sprache SB Heid AK 1937/38 2. Abh., Heidelberg 1938, S. 26 als
durchaus wahrscheinlich annehmen dürfen, dass diese griechische
Handschrift zu jenen gehörte, die Nicolaus Cusanus im Jahre
1437/38 aus Konstantinopel mitgebracht und den Konzilsvätern
des Konzils von Ferrara-Florenz für die Unionsverhandlungen
mit den Griechen zur Verfügung gestellt hat. Da nun aber, wie
Honecker a. a. O. sorgfältig nachgewiesen hat, die Kenntnis des
Nicolaus im Griechischen nicht groß und gründlich genug war für
eine selbständige, sichere Lektüre des griechischen Textes, den er
zudem auch nicht unmittelbar zur Hand hatte, so war der Cusaner
für ein eingehenderes und gründlicheres Studium der Areopagitica
auf lateinische Übersetzungen angewiesen.
Zur Zeit des Kardinals Nicolaus Cusanus gab es bereits
mehrere solcher lateinischer Übersetzungen des Areopagiten.
Über dieselben berichtet M. Grabmann, Mittelalterliches Geistes-
leben I (1926) S. 449—468 des näheren. Auch die Angaben über
Ludwig Baur Cusanus-Texte: III. Marginalien
in De non aliud identisch ist. Aber was auch der Grund dafür
sein mag: es kann die Tatsache selbst nicht aus der Welt schaffen,
daß der Areopagite für die Gedankenwelt des Cusaners eine
hohe Bedeutung hatte. Der Weg, auf dem die Areopagitischen
Schriften und ihre mystische Theologie zu Nicolaus Cusanus
gekommen sind und ihren weitgehenden Einfluß auf sein ganzes
theologisches Denken, ja auf seine ganze Geistesrichtung und
Geisteshaltung gewonnen haben, läßt sich genau verfolgen:
Der Cusaner befand sich schon frühe im Besitz eines griechi-
schen Exemplars des Areopagiten. Er selbst gibt dafür Zeugnis in
einem Brief an den Abt und die Mönche von Tegernsee aus Branzoll
unter dem Datum des 14. September 1453, wo er schreibt: ,,Habeo
textum Dionysii proxime optime per quendam amicissimum meum
translatum (gemeint ist die lateinische Übersetzung des Ambro-
sius Traversari vom Jahre 1436), qui mihi sufficit. Misi simi-
liter pro libro meo Graeco Florentiam; talis est textus
Dionysii in Graeco quod non opus habeat glossis; ipse
se ipsum multipliciter explanat.“ (Vansteenberghe, ep. 5
S. 116 f.). — Daraus geht eindeutig hervor, dass die dem Nicolaus
gehörige griechische Handschrift, die übrigens in der Bibliothek
des Cusaners heute nicht enthalten ist, im Jahre 1453 zu Florenz
war und dort zu seiner Verfügung stand. Man wird es mit Van-
steenberghe, Le Cardinal Nicolas de Cues. Paris 1920 S. 117,
Anm. 1 und M. Honecker, Nicolaus von Cues und die griechische
Sprache SB Heid AK 1937/38 2. Abh., Heidelberg 1938, S. 26 als
durchaus wahrscheinlich annehmen dürfen, dass diese griechische
Handschrift zu jenen gehörte, die Nicolaus Cusanus im Jahre
1437/38 aus Konstantinopel mitgebracht und den Konzilsvätern
des Konzils von Ferrara-Florenz für die Unionsverhandlungen
mit den Griechen zur Verfügung gestellt hat. Da nun aber, wie
Honecker a. a. O. sorgfältig nachgewiesen hat, die Kenntnis des
Nicolaus im Griechischen nicht groß und gründlich genug war für
eine selbständige, sichere Lektüre des griechischen Textes, den er
zudem auch nicht unmittelbar zur Hand hatte, so war der Cusaner
für ein eingehenderes und gründlicheres Studium der Areopagitica
auf lateinische Übersetzungen angewiesen.
Zur Zeit des Kardinals Nicolaus Cusanus gab es bereits
mehrere solcher lateinischer Übersetzungen des Areopagiten.
Über dieselben berichtet M. Grabmann, Mittelalterliches Geistes-
leben I (1926) S. 449—468 des näheren. Auch die Angaben über