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Nikolaus [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 1. Abhandlung): Untersuchungen über Datierung, Form, Sprache und Quellen: kritisches Verzeichnis sämtlicher Predigten — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42026#0031
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Erstes Hauptstüek: Untersuchungen. III. Die Sprache der Predigten. 23
wesen. Auch ein Meister Eckhart hat seine Entwürfe lateinisch
abgefaßt; von ihm besitzen wir nur eine einzige Predigt, die er
selbst deutsch niedergeschrieben hat, die Predigt Vom edeln Men-
schen, die er der Königin Agnes von Ungarn widmete, vor der
er sie gehalten hatte. Seine übrigen Predigten sind bekanntlich
nur in Nachschriften auf uns gekommen. Die Verwendung der
lateinischen Sprache hat m. E. zwei sehr einfache Gründe: erstens
hatte der Klerus im Mittelalter — um von der neuern Zeit abzu-
sehen — nur lateinische Hilfsmittel für seine Predigt zur Ver-
fügung, von der Vulgata und den lateinischen Kirchenvätern an-
gefangen bis zum letzten theologischen Handbuch. Das gilt auch
für Cu sanus, dessen Bibliothek uns bekannt ist. Die Ausarbeitung
der Predigt geschah also wesentlich leichter in der lateinischen als
in der deutschen Sprache. Nur ein Beispiel! Cusanus’ erste Pre-
digt besteht zum größten Teil aus Auszügen aus dem Werk ,,De
fide et legibus“ des Wilhelm von Auvergne. Der zweite Grund
ist praktischer Natur. Die lateinische Sprache hütet den Predigt-
text vor unberufenen Augen. Was hat eine Predigt für einen Sinn,
welche die Zuhörer schon vorher kennen ?
Darf man nun aus den lateinischen Entwürfen den Schluß
ziehen, daß Cusanus auch lateinisch gepredigt hat? Billinger
zieht ihn und sucht ihn durch folgende Überlegungen zu stützen1:
„Wenn Cusanus zu einer Zeit, da die klassisch-lateinische Predigt ja
längst anrüchig war, dennoch lateinisch predigt, so ist nicht zu vergessen,
daß er Humanist ist und meist vor Zuhörern sprach, denen Latein mehr oder
weniger geläufig war. Ein weiterer Grund zur Vermeidung der deutschen
Sprache (ich sehe von den deutschen Vaterunserpredigten ab) mag eine
gewisse Befürchtung vor unfruchtbarem Halbwissen oder gar vor Mißver-
ständnissen gewesen sein, die sich aus den deutschen Schriften Eckharts
ergaben. Solche Mißverständnisse waren im Umlauf, so daß diese deutschen
Werke wegen ihres ,,profanen Charakters“ verboten waren. Ob aber Cusanus
als der Legat des Papstes in deutschen Landen diese Bücher in Deutsch nicht
gelesen wissen wollte und deshalb selbst lateinisch sprach, wage ich nicht
ohne weiteres zu entscheiden.“
Diese Sätze sind wenig fundiert. Gewiß war Cusanus Huma-
nist, das bedeutet aber doch nicht, daß er nur Latein gesprochen
habe. Zudem hat er zweifellos meist vor Zuhörern gesprochen, die
gar kein Latein konnten. Man denke an die Volksmengen, die ihm
in Erfurt, Magdeburg, Hildesheim usw. zuhörten, an das Brixener
Volk oder endlich an die Bauern in der Prettau, zu denen er eilt,

1 In der oben angeführten Anmerkung.
 
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