Rom und die Christen im ersten Jahrhundert
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pflicht ist, von der Paulus weiß. Schlimme Erfahrungen mit heid-
nischen oder jüdischen Behörden haben seinen Standpunkt nicht
beeinflußt. Man darf auch nicht behaupten, daß diese Erfahrungen
im Leben des Apostels damals noch gefehlt hätten; der vor dem
Römerbrief geschriebene II. Ivorintherbrief weiß bereits von der
fünfmaligen Verhängung der jüdischen Prügelstrafe und von drei
Fällen römischer Geißelung (11, 24. 25); jede dieser Strafen muß
von einer Behörde angeordnet worden sein. Und die Apostel-
geschichte berichtet mindestens von einer Nacht im Gefängnis zu
Pliilippi (16, 23), einem Ereignis, auf das auch Paulus selbst I. Thess.
2, 2 anzuspielen scheint. Trotzdem hat Paulus daran festgehalten,
daß der Obrigkeit zu gehorchen sei.
Es erhebt sich hier zum erstenmal die Frage, warum diese
Christen durch ihre Erfahrungen nicht zu Staatsfeinden
geworden sind. Zur Antwort genügt es natürlich nicht, auf die
relative Festigkeit jener Tradition von der göttlichen Einsetzung
der Obrigkeiten zu verweisen. Wie Paulus als Christ über die Juden
anders denken gelernt hat, so könnte er auch sein Urteil über jüdi-
sche, römische und provinzialstädtische Behörden gewechselt haben.
Eine Antwort auf jene Frage kann zunächst nur für Paulus gegeben
werden; inwiefern sie auch für andere Christen gilt, steht dahin.
Bei dem Apostel aber ist in erster Linie auf die erwähnte escha-
tologische Bedingtheit seiner Loyalität zu verweisen. Es ist Gottes
Sache, dem Staat und seinen Organen, wenn er will, ein Ende zu
machen. Der Christ, der um die Nähe dieses Endes weiß, hat Gott
in der Bestimmung der Termine dieser letzten Zeit nicht vorzu-
greifen. Je näher er sich dem Ende weiß, desto mehr hat er jetzt
stillezuhalten. Und dies um so mehr, als auch Leiden und Ver-
folgungen zu den Zeichen der letzten Zeit vor dem Ende gehören.
Das hat Paulus schon in dem frühesten der uns erhaltenen Briefe
ausgesprochen (I. Thess. 3, 3); er hat auch im Römerbrief seine
Anschauung darüber nicht geändert (Röm. 5, 3; 8, 18). So steht
beides nicht miteinander im Widerspruch: die Geltung des Staates
und seiner Funktionäre wie die Konflikte, in die die Christen mit
den Behörden geraten. Beides besteht nach Gottes Willen zu recht,
aber beides ist befristet.
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pflicht ist, von der Paulus weiß. Schlimme Erfahrungen mit heid-
nischen oder jüdischen Behörden haben seinen Standpunkt nicht
beeinflußt. Man darf auch nicht behaupten, daß diese Erfahrungen
im Leben des Apostels damals noch gefehlt hätten; der vor dem
Römerbrief geschriebene II. Ivorintherbrief weiß bereits von der
fünfmaligen Verhängung der jüdischen Prügelstrafe und von drei
Fällen römischer Geißelung (11, 24. 25); jede dieser Strafen muß
von einer Behörde angeordnet worden sein. Und die Apostel-
geschichte berichtet mindestens von einer Nacht im Gefängnis zu
Pliilippi (16, 23), einem Ereignis, auf das auch Paulus selbst I. Thess.
2, 2 anzuspielen scheint. Trotzdem hat Paulus daran festgehalten,
daß der Obrigkeit zu gehorchen sei.
Es erhebt sich hier zum erstenmal die Frage, warum diese
Christen durch ihre Erfahrungen nicht zu Staatsfeinden
geworden sind. Zur Antwort genügt es natürlich nicht, auf die
relative Festigkeit jener Tradition von der göttlichen Einsetzung
der Obrigkeiten zu verweisen. Wie Paulus als Christ über die Juden
anders denken gelernt hat, so könnte er auch sein Urteil über jüdi-
sche, römische und provinzialstädtische Behörden gewechselt haben.
Eine Antwort auf jene Frage kann zunächst nur für Paulus gegeben
werden; inwiefern sie auch für andere Christen gilt, steht dahin.
Bei dem Apostel aber ist in erster Linie auf die erwähnte escha-
tologische Bedingtheit seiner Loyalität zu verweisen. Es ist Gottes
Sache, dem Staat und seinen Organen, wenn er will, ein Ende zu
machen. Der Christ, der um die Nähe dieses Endes weiß, hat Gott
in der Bestimmung der Termine dieser letzten Zeit nicht vorzu-
greifen. Je näher er sich dem Ende weiß, desto mehr hat er jetzt
stillezuhalten. Und dies um so mehr, als auch Leiden und Ver-
folgungen zu den Zeichen der letzten Zeit vor dem Ende gehören.
Das hat Paulus schon in dem frühesten der uns erhaltenen Briefe
ausgesprochen (I. Thess. 3, 3); er hat auch im Römerbrief seine
Anschauung darüber nicht geändert (Röm. 5, 3; 8, 18). So steht
beides nicht miteinander im Widerspruch: die Geltung des Staates
und seiner Funktionäre wie die Konflikte, in die die Christen mit
den Behörden geraten. Beides besteht nach Gottes Willen zu recht,
aber beides ist befristet.