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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 2. Abhandlung): Rom und die Christen im ersten Jahrhundert — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42027#0030
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Martin Dibelius:

Zu bezweifeln ist, daß der Brief des Claudius zur Judenfrage,
gerichtet an die Alexandriner im Jahr 41 und uns bekannt seit
19241, hierher gehört. Claudius verbietet den Juden von Alexan-
dria, Zuzug von Syrien und Ägypten her aufzunehmen — und darin
hat man eine Anspielung auf das vordringende Christentum gese-
hen. Er verbietet aber auch noch anderes wie die Anwesenheit der
Juden bei Wettkämpfen. Und für den Fall der Übertretung dieser
Vorschriften droht er den Juden, sie ,,als die Urheber einer allge-
meinen, über die Welt ziehenden Krankheit“ (καθάπερ κοινήν τι να.
τής οικουμένης νόσον έξεγείροντας) behandeln und austreiben zu
wollen. Der Umstand, daß Paulus von seinem Gegner Tertyllos
Act. 24, 5 mit einem ähnlichen Bilde charakterisiert wird — εύρόντες
γάρ τον άνδρα τούτον λοιμόν και κινοΰντα στάσεις — hat gar nichts
zu bedeuten. Der Wortlaut (νόσος — λοιμός) ist zu verschieden und
das Bild selbst zu allgemein, als daß man in λοιμός eine technische
Christenbezeichnung sehen könnte, zumal der Ausdruck bei Clau-
dius sich gar nicht nur auf die Zuzugsgefahr bezieht. Dem Kaiser
liegt am Frieden in Alexandria. Wenn die Judenschaft durch Zu-
zug verstärkt wird, ist die Ruhe gefährdet. Es ist völlig verständ-
lich, daß Claudius in diesem für die Judenfrage in Alexandria höchst
kritischen Jahr den Juden sagt: wenn ihr nicht gehorsam seid,
werde ich euch als das behandeln, was ihr nach der Meinung eurer
Gegner seid, als eine Weltpest2. Aber es ist ganz unglaublich, daß
der römische Kaiser zu einer Zeit, da die christliche Mission noch
kaum entwickelt war, in den wenigen Christengemeinden Palästinas,
Syriens und — höchstens — Ägyptens bereits eine Weltgefahr
erkannt haben sollte.
Dagegen scheint sich auf Christen zu beziehen die bekannte
Notiz aus Suetons Claudiusbiographie, die aber für unser Thema
wenig ausmacht: Juclaeos impulsore Chresto assidue tumultuantes
Roma expulit (De vita Caesarum V 25, 4). Wahrscheinlich sind die
fraglichen Unruhen in der Tat durch das Eindringen des Christen-
tums in Rom hervorgerufen worden. Das bekannte Mißverständnis
setzte Chrestus für Christus, der Autor dachte dabei wohl an einen
römischen Juden und hatte von dem wahren Sachverhalt keine
Ahnung. In diesem Fall bringt der Satz die erste Nachricht über das
1 Idris Bell, Jews and Christians in Egypt (P. London 1912); 1924.
2 In einer Verhandlung vor Claudius 41 p. Ghr. sagt der Alexandriner
Isidoros: ένκ[αλω αύτοΐς οτι κ]αί δλην την οικουμένην [έπιχειροϋσι ταράσ]σειν
s. Graf Uxkull-Gyllexband, SBA 1930, 668f.
 
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