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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 2. Abhandlung): Rom und die Christen im ersten Jahrhundert — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42027#0031
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Rom und die Christen im ersten Jahrhundert

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Christentum in Rom; sonst enthält er nicht allzuviel Wesentliches
für unsere Frage, denn daß von der Judenvertreibung unter Clau-
dius auch Christen betroffen wurden, wissen wir schon aus der ein
Menschenalter früher geschriebenen Apostelgeschichte (18, 2).
So ist es Tacitus, der Annalen XV 44 den wichtigsten Be-
richt vonseiten Roms über das frühe Christentum liefert. Nach
seiner Darstellung sei Nero über die Gerüchte, die ihm selbst die
Schuld am Brande Roms zuschoben, beunruhigt gewesen und habe
nun als Schuldige die vom Volk so genannten ,,Chrestianer“ unter-
geschoben (subdidit reos). Es sollen hier nicht alle die Fragen, die
dieses Tacitus-Kapitel uns stellt, noch einmal besprochen werden;
es soll nur der Ursache des Konflikts nachgefragt werden. Durch
die bisherige Diskussion1 sind, wie mir scheint, folgende Punkte ge-
klärt worden:
1. Der Satz über den auctor nominis eins Christus gibt nur an,
was ein Römer von einem einfachen Christen erfahren konnte; der
Name Pontius Pilatus war ja den Christen aus alten kerygmatischen
Formulierungen bekannt (Act. 3, 13; 13, 28; I. Tim. 6, 13). Die
Angabe repressaque in praesens exitiabilis superstitio rursum erum-
pebat hat Tacitus nicht von anderen erfahren, sondern erschlossen.
2. Für Tacitus sind die Christen nicht schuldig am Brande
Roms; sie haben auch nur ihr Christentum und nicht die Brand-
stiftung gestanden ; verurteilt sind sie, weil sie Christen, nicht weil
sie Brandstifter waren2.
3. Der Satz, daß zuerst die Geständigen verhaftet wurden,
dann indicio eorum eine große Menge anderer, bezieht sich nur auf
die Christen, nicht etwa auf jüdische Denunzianten. Er will aber
1 Aus der Fülle von Untersuchungen nenne ich: E. Theod. Klette,
Die Christenkatastrophe unter Nero, 1907; Otto Hirschfeld, Kleine Schrif-
ten, 1913, S. 407—410; Kurt Li\ck, De antiquissimis veterum quae ad
Jesum Nazarenum spectant testimoniis, 1913; Wilhelm Weber, Nec nostri
saeculi est, Festgabe für Karl Müller, 1922, S. 2411'.; Ed. Meyer, Ur-
sprung und Anfänge des Christentums III (1923), 500—509.
2 Der einzige stichhaltige Grund gegen die Beziehung von jäten auf
den Christenglauben ist die Erwägung, daß für das „Bekenntnis“ ζυ einer
Sekte oder Philosophie bei Tacitus immer profiteri oder aemulari gebraucht
werde (Siebert, Die ältesten Zeugnisse über das Christentum bei den röm.
Schriftstellern, Progr. des Kaiserin-Augusta-Gymnasiums, Charlottenburg
1897, S. 10); fateri dagegen heiße „geständig sein“. Da nun aber anzunehmen
ist, daß bei dem Verhör der Christen nicht die Brandstiftung, sondern das
Christsein zur Debatte stand (siehe die nächste Anmerkung), so ist gerade
diese Bedeutung von fateri auch hier durchaus angemessen.
 
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