Metadaten

Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 2. Abhandlung): Rom und die Christen im ersten Jahrhundert — Heidelberg, 1942

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42027#0039
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Rom und die Christen im ersten Jahrhundert

39

wegen ,,Atheismus“ bestraft worden sein, der Konsul sogar mit
dem Tode. Unter derselben Anklage seien auch noch andere, die
,,zu jüdischen Bräuchen abgeirrt waren“, verurteilt und zum Teil
hingerichtet worden. Dieser mit „jüdischen Bräuchen“ verbundene
Atheismus wird wohl richtig als Christentum gedeutet. Es gab also
eine beträchtliche Zahl christlicher Märtyrer in Rom während der
letzten Jahre Domitians. Und auf eine noch ernstere Verfolgung
der Christen in Kleinasien läßt die Apokalypse schließen.
Damit kommt ein besonderer Zug in das Bild, das die nicht-
christliche Gesellschaft vom Christentum hat: diese armen, ver-
achteten Existenzen sind immer todesbereit. Man sollte meinen,
daß diese Haltung den Christen die Achtung ihrer Zeitgenossen ein-
getragen hätte. Das ist nicht überall der Fall gewesen; im Gegen-
teil, wir kennen Äußerungen, die uns zeigen, daß gerade an der
christlichen Todesbereitschaft erneut der Gegensatz zwischen Chri-
stentum und Bildung aufbrach.
Die erste dieser Äußerungen stammt von dem Stoiker E pikt et,
dem Zeitgenossen der Martyrien unter Domitian. In seiner Abhand-
lung über die Furchtlosigkeit (IV, 7) zeichnet er das Bild eines
Tyrannen, der furchtbar erscheint, weil seine Leibwache mit Waffen
droht und seine Hofbeamten den Bittsteller nicht vorlassen. Wer
aber braucht ihn nicht zu fürchten ? Ein Kind, das von der Furcht-
barkeit des Tyrannen und seiner Leute nichts weiß. Ein Lebens-
müder braucht es auch nicht, denn er sehnt sich nach den Schwer-
tern der Leibwache. Auch ein Geisteskranker ist über diese Furcht
erhaben, wenn ihm Leib und Leben, Weib und Kind und Besitz
völlig gleichgültig geworden sind. Also, sagt Epiktet, „aus Wahn-
sinn kann einer zu einer solchen Haltung gelangen und die Galiläer
können es aus Gewöhnung“; aber aus vernünftigen Gründen kann
es niemand P1 Und er führt gleich an, was der Betreffende zu lernen
hätte: daß Gott die Welt geschaffen hat, jeden Teil zum Nutzen
des Ganzen. Seiner Verwaltung des Ganzen kann nur der Ver-
nünftige bewußt folgen; nur er kann erkennen, daß sich alles har-
monisch zueinander fügt, wenn die Teile dem Ganzen sich unter-
ordnen. Dann wird er auch einsehen, was in seiner Macht steht
und was nicht, daß er über das erste verfügen kann, also über seinen
Willen und über seine Leidenschaften, das zweite aber als gegeben
1 Epiktet, Diss. IV 7, 6 είτα υπό μανίας μέν δύναταί τις outoj διατεθήναι
προς ταυτα καί υπό έΟ-ους οί Γαλ'λαΐοι· υπό λόγου δέ καί άποδείξεως ούδείς δύναται
μαθεΐν . . .
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften