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Martin Dibelius:
Verweigerung des Kaiserkults eine bedeutsame Rolle. Die christliche
Apologetik hatte nun eine etwas geänderte Aufgabe: sie brauchte
nicht mehr die Martyrien philosophisch zu verklären, sondern konnte
sich an die Grundlagen des Verfahrens gegen die Christen halten
und die Staatsgefährlichkeit der neuen Religion bestreiten. Von
da aus ist auch die Umdeutung der Geschichte vom Zinsgroschen
zu verstehen, die eingangs (S. 5f.) besprochen wurde. Die Auf-
gabe war dieser Apologetik also etwas erleichtert. Man konnte das
Grundsätzliche des Konflikts beiseite lassen, eine falsche Orien-
tierung der Behörden voraussetzen und sich anheischig machen, die
höchste Stelle besser zu unterrichten. Andererseits wurde die Auf-
gabe erweitert, je mehr das Christentum in die Bezirke der Bildung
vorstieß. Es galt die Beziehungen der neuen Religion zur geisti-
gen Tradition durch Kritik und Anpassung enger zu gestalten.
In dieser Anpassung sind die Apologeten unter Umständen
sehr weit gegangen. Fast sollte man meinen, daß sie jeden Blick
für die sachliche Berechtigung des Konflikts verloren hätten. Das
gilt in gewissem Grad von Melito von Sardes, dessen Fragmente
Euseb Hist. eccl. IV 26, 5—-11 erhalten hat. Er leitet die Zusam-
mengehörigkeit von Imperium und Christentum aus ihrer Gleich-
zeitigkeit ab, und empfiehlt dem Kaiser Marc Aurel diese Philo-
sophie (d. h. das Christentum), weil sie zwar unter Barbaren ent-
sprossen, aber ,,zur Blüte gelangt ist bei deinen Völkern unter dem
gewaltigen Regiment deines Vorgängers Augustus“; er behauptet,
das römische Reich habe seit jener Zeit an Größe und Glanz zu-
genommen und fordert den Kaiser auf, ,,Schützer zu sein dieser
Philosophie, die mit dem Reich geschwisterlich erwachsen und unter
Augustus aufgekommen ist und die ja auch deine Vorgänger neben
anderen Kulten in Ehren gehalten haben.“ Das erscheint uns reich-
lich illusionistisch — gerade angesichts der Haltung und des Ur-
teils Marc Aurels. Dem wirklichen Ernst der Lage wird derselbe
Melito erst dort gerecht, wo er, erschrocken über neue Maßnahmen
gegen die Christen und doch nicht ohne Empfinden für die Größe
gerade dieses Kaisers, schreibt: ,,Geschieht solches auf dein Ge-
heiß, so soll es wohlgetan sein. Denn ein gerechter Kaiser wird
nichts Ungerechtes verordnen, und wir nehmen gern die Ehre sol-
chen Todes hin1.“ Nur bittet er den Kaiser, sich erst über die
1 Melito bei Euseb, Hist. eccl. IV 26, 6 καί εί μέν σου κελεύσαντος τούτο
πράττεται, έστω καλώς γινόμενον; δίκαιος γάρ βασιλεύς ούκ οίν άδίκως βουλεύσαι-
το πώποτε, καί ημείς ήδέως φέρομεν του τοιούτου θ-ανάτου το γέρας.
Martin Dibelius:
Verweigerung des Kaiserkults eine bedeutsame Rolle. Die christliche
Apologetik hatte nun eine etwas geänderte Aufgabe: sie brauchte
nicht mehr die Martyrien philosophisch zu verklären, sondern konnte
sich an die Grundlagen des Verfahrens gegen die Christen halten
und die Staatsgefährlichkeit der neuen Religion bestreiten. Von
da aus ist auch die Umdeutung der Geschichte vom Zinsgroschen
zu verstehen, die eingangs (S. 5f.) besprochen wurde. Die Auf-
gabe war dieser Apologetik also etwas erleichtert. Man konnte das
Grundsätzliche des Konflikts beiseite lassen, eine falsche Orien-
tierung der Behörden voraussetzen und sich anheischig machen, die
höchste Stelle besser zu unterrichten. Andererseits wurde die Auf-
gabe erweitert, je mehr das Christentum in die Bezirke der Bildung
vorstieß. Es galt die Beziehungen der neuen Religion zur geisti-
gen Tradition durch Kritik und Anpassung enger zu gestalten.
In dieser Anpassung sind die Apologeten unter Umständen
sehr weit gegangen. Fast sollte man meinen, daß sie jeden Blick
für die sachliche Berechtigung des Konflikts verloren hätten. Das
gilt in gewissem Grad von Melito von Sardes, dessen Fragmente
Euseb Hist. eccl. IV 26, 5—-11 erhalten hat. Er leitet die Zusam-
mengehörigkeit von Imperium und Christentum aus ihrer Gleich-
zeitigkeit ab, und empfiehlt dem Kaiser Marc Aurel diese Philo-
sophie (d. h. das Christentum), weil sie zwar unter Barbaren ent-
sprossen, aber ,,zur Blüte gelangt ist bei deinen Völkern unter dem
gewaltigen Regiment deines Vorgängers Augustus“; er behauptet,
das römische Reich habe seit jener Zeit an Größe und Glanz zu-
genommen und fordert den Kaiser auf, ,,Schützer zu sein dieser
Philosophie, die mit dem Reich geschwisterlich erwachsen und unter
Augustus aufgekommen ist und die ja auch deine Vorgänger neben
anderen Kulten in Ehren gehalten haben.“ Das erscheint uns reich-
lich illusionistisch — gerade angesichts der Haltung und des Ur-
teils Marc Aurels. Dem wirklichen Ernst der Lage wird derselbe
Melito erst dort gerecht, wo er, erschrocken über neue Maßnahmen
gegen die Christen und doch nicht ohne Empfinden für die Größe
gerade dieses Kaisers, schreibt: ,,Geschieht solches auf dein Ge-
heiß, so soll es wohlgetan sein. Denn ein gerechter Kaiser wird
nichts Ungerechtes verordnen, und wir nehmen gern die Ehre sol-
chen Todes hin1.“ Nur bittet er den Kaiser, sich erst über die
1 Melito bei Euseb, Hist. eccl. IV 26, 6 καί εί μέν σου κελεύσαντος τούτο
πράττεται, έστω καλώς γινόμενον; δίκαιος γάρ βασιλεύς ούκ οίν άδίκως βουλεύσαι-
το πώποτε, καί ημείς ήδέως φέρομεν του τοιούτου θ-ανάτου το γέρας.