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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 3. Abhandlung): Die Anfänge der hebräischen Geschichtsschreibung — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42028#0034
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34 G. Hölscher: Die Anfänge der hebräischen Geschichtsschreibung
die Ivainitenliste. Diese Einzelstücke hat der Schriftsteller zu einem
Ganzen verbunden; zur Verbindung dienen außer den Genealogien
das Motiv der Wanderung und allerlei innere Verknüpfungen. Der
Fluch im Paradiese treibt die Menschen in die Steppe hinaus, wo
sie wie Kain und seine Nachkommen als Nomaden leben; auf das
Nomadenleben weist die Fellkleidung Gen 321 und Chawwa „das
Zelt“ Gen 320. An die durch den Kainitenstammbaum vorbereitete
Ausbreitung der Menschen knüpft Gen 61 an, und die Folgen der
immer weiteren Vermehrung der Menschheit stellt die Turmbau-
sage Gen lli dar; an die Zerstreuung der Völker über die Erde
schließt sich dann die Sage von Noah, dem Ahnherrn der Völker
Kanaans Gen 920-27. Als ein weiteres Bindeglied tritt hinzu das
Motiv der Erfindungen, in dem sich der Fortschritt der Kultur
darstellt: am Anfang steht das Nomadenleben mit der Sonderung
der Berufe, der Viehzüchter, Musiker, Schmiede, Dirnen Gen 420-22,
auch des Jägers Gen IO9; es folgt das Stadium der Seßhaftigkeit,
die Erfindung des Ziegelbaus und der Stadtgründung und die Ent-
stehung von Sprachen und Völkern Gen 111-9, endlich Acker- und
Weinbau Gen 920. Die Art, wie hier aus mythischen, genealogischen
und kulturgeschichtlichen Motiven ein Gesamtbild der Urzeit ent-
worfen ist, gleicht der phönikischen bei Sanchuniathon und ist ge-
wiß nach ähnlichen Vorbildern geschaffen.
Ebenso ist auch die Vätergeschichte ein Gewebe aus einzelnen,
von Haus aus unabhängigen Sagen und Sagenkränzen. Abraham
wohnt in Mamre, Isaak in Be’erscheba4, Jakobs Grab zeigt man in
Abel-Misraim; Lot gehört nach Moab, Ismael nach Lachai-Ro’i.
Ihre genealogische Verbindung ist sekundär, ebenso wie das auch
hier wieder durchweg verwertete Motiv der Wanderung und Um-
siedelung.
Die Geschichte Abrahams stellt sich als ein wohlüberlegtes
Ganzes dar. Sie gruppiert sich um den Sagenkranz von Abraham
und Lot. Dessen Kern bilden die beiden alten Sagen von Mamre
und Sodom, die sich schon in mündlicher Überlieferung gegenseitig
angezogen haben mögen1. Um sie kristallisiert der Darsteller in
freier Dichtung2 die Geschichte von der gemeinsamen Wanderung

1 Die innere Verknüpfung geschieht durch die Wanderung der drei Gäste
von Mamre nach Sodom; ursprünglich gehören diese in die Mamresage.
2 Dazu gehören auch die von J frei erfundenen Altarbauten Abrahams
in Sichern und Betel Gen 126_8.
 
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