Stoff und Gestaltung
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des 12. Jahrhunderts aber gab es nach Gen 36s 1-39 ein edomiti-
sches Königtum in Sehr. Das Vordringen der Edomiter aus den
Grenzgebieten Ägyptens und der Sinaihalbinsel in ihre späteren
Wohnsitze läßt sich also in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts
datieren. Mit den Edomitern zusammen werden auch die anderen
Südstämme nordwärts vorgedrungen sein, am weitesten Juda, das
sich bis in das fruchtbare Ackerland zwischen Hebron und Jerusa-
lem vorgeschoben und von da aus dann die westlichen Abhänge
und Täler besiedelt hat (Gen 38). Diese Stämme Südpalästinas
mögen zu Anfang in Abhängigkeit von den edomitisclien Königen
gestanden haben, wie sie später nach der Niederlassung der Phi-
lister im Küstenlande von den Philistern abhängig waren. Die Aus-
zugssage scheint also gemeinsame Tradition dieser Südstämme zu
sein. In ihrer Ausgestaltung ist sie Dichtung; diese schildert in
anschaulichen Szenen die Fronknechtschaft in Ägypten und die
Wundertaten des Gottes, der den Pharao zur Freilassung des Volkes
zwingt. Den Schlußeffekt bildet der Untergang des Pharao mit
Wagen und Reitern im Meere. Diese Sage spielt nach J bei Ba‘al-
Safon zwischen Migdol und dem Meere1. Der Gott Ba‘al-Safon ist
der Meer- und Seefahrergott, der seinen ursprünglichen Sitz auf
dem nordsyrischen Berge Safon beim Vorgebirge Poseideion hatte
und dessen Kultus sich von da nach Süden verbreitet hat. Die
Rolle, die der Meergott in der Auszugssage spielt, ist Jahve, dem
Berggott vom Sinai, fremd; er wirkt hier, ähnlich etwa wie Posei-
don, als er dem Scipio Bei der Einnahme von Neukarthago durch
eine Überschwemmung beisteht2, durch sein Element, das Wasser.
Eine von der Auszugssage ursprünglich unabhängige3 * 5, gleich-
1 Migdol lag 10 km südwestlich von Pelusion. Die Lage von Ba'al-Safon
ist durch die französischen Ausgrabungen festgestellt worden; es lag in teil
mahammadije am Westrande des sumpfigen, von Sanddünen umgebenen Sir-
bonis-Sees. Das „Meer“ ist also das Mittelmeer, bzw. dieser an seiner Küste
liegende See (vgl. 0. Eissfeldt, Baal Zaphon, Zeus Kasios und der Durch-
gang der Israeliten durchs Meer, 1932). Erst E hat, im Zusammenhang mit
seiner gesamten Verlegung der Wüstenwanderung zum Choreb, die Sage an
das „Schilfmeer“, d. h. an das Rote Meer verlegt.
2 Polybius X 11, 14.
3 Die Tradition vom Aufenthalt in Ägypten und die Gestalt Moses sind
zwar dichterisch sehr geschickt miteinander verflochten, sind aber von Haus
aus unabhängig voneinander. Die Rolle, die Mose beim Auszuge spielt, ist
keine andere, als die des Sendboten Jahves; die Verhandlungen mit dem
Pharao führen die Ältesten des Volks (Ex 53ff.; erst 318 wird Mose ihnen bei-
gesellt), und die Wunder kündet Mose an, aber Jahve vollzieht sie. Aus der
5 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1941/42. 3. Abh.
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des 12. Jahrhunderts aber gab es nach Gen 36s 1-39 ein edomiti-
sches Königtum in Sehr. Das Vordringen der Edomiter aus den
Grenzgebieten Ägyptens und der Sinaihalbinsel in ihre späteren
Wohnsitze läßt sich also in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts
datieren. Mit den Edomitern zusammen werden auch die anderen
Südstämme nordwärts vorgedrungen sein, am weitesten Juda, das
sich bis in das fruchtbare Ackerland zwischen Hebron und Jerusa-
lem vorgeschoben und von da aus dann die westlichen Abhänge
und Täler besiedelt hat (Gen 38). Diese Stämme Südpalästinas
mögen zu Anfang in Abhängigkeit von den edomitisclien Königen
gestanden haben, wie sie später nach der Niederlassung der Phi-
lister im Küstenlande von den Philistern abhängig waren. Die Aus-
zugssage scheint also gemeinsame Tradition dieser Südstämme zu
sein. In ihrer Ausgestaltung ist sie Dichtung; diese schildert in
anschaulichen Szenen die Fronknechtschaft in Ägypten und die
Wundertaten des Gottes, der den Pharao zur Freilassung des Volkes
zwingt. Den Schlußeffekt bildet der Untergang des Pharao mit
Wagen und Reitern im Meere. Diese Sage spielt nach J bei Ba‘al-
Safon zwischen Migdol und dem Meere1. Der Gott Ba‘al-Safon ist
der Meer- und Seefahrergott, der seinen ursprünglichen Sitz auf
dem nordsyrischen Berge Safon beim Vorgebirge Poseideion hatte
und dessen Kultus sich von da nach Süden verbreitet hat. Die
Rolle, die der Meergott in der Auszugssage spielt, ist Jahve, dem
Berggott vom Sinai, fremd; er wirkt hier, ähnlich etwa wie Posei-
don, als er dem Scipio Bei der Einnahme von Neukarthago durch
eine Überschwemmung beisteht2, durch sein Element, das Wasser.
Eine von der Auszugssage ursprünglich unabhängige3 * 5, gleich-
1 Migdol lag 10 km südwestlich von Pelusion. Die Lage von Ba'al-Safon
ist durch die französischen Ausgrabungen festgestellt worden; es lag in teil
mahammadije am Westrande des sumpfigen, von Sanddünen umgebenen Sir-
bonis-Sees. Das „Meer“ ist also das Mittelmeer, bzw. dieser an seiner Küste
liegende See (vgl. 0. Eissfeldt, Baal Zaphon, Zeus Kasios und der Durch-
gang der Israeliten durchs Meer, 1932). Erst E hat, im Zusammenhang mit
seiner gesamten Verlegung der Wüstenwanderung zum Choreb, die Sage an
das „Schilfmeer“, d. h. an das Rote Meer verlegt.
2 Polybius X 11, 14.
3 Die Tradition vom Aufenthalt in Ägypten und die Gestalt Moses sind
zwar dichterisch sehr geschickt miteinander verflochten, sind aber von Haus
aus unabhängig voneinander. Die Rolle, die Mose beim Auszuge spielt, ist
keine andere, als die des Sendboten Jahves; die Verhandlungen mit dem
Pharao führen die Ältesten des Volks (Ex 53ff.; erst 318 wird Mose ihnen bei-
gesellt), und die Wunder kündet Mose an, aber Jahve vollzieht sie. Aus der
5 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1941/42. 3. Abh.