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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 3. Abhandlung): Die Anfänge der hebräischen Geschichtsschreibung — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42028#0099
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Geschichte und Idee

99

Rhythmisch geformte Rede findet sich bei J nur in bestimmten
Fällen, entweder wo kurze dichterische Sprüche zitiert1 oder wo an
gehobener Stelle ein Fluch oder Segen, ein Orakelspruch oder eine
Weissagung gesprochen werden2. Ein größeres Stück dieser Art,
eine Zusammenstellung von Fluch- und Segenssprüchen, ist der
Segen Jakobs Gen 49.
Was J neben mündlicher Überlieferung etwa an schriftlichen
Vorlagen besessen und verarbeitet hat, ist offenbar sehr geringfügig.
J ist kein Kompilator, sondern ein frei gestaltender Schriftsteller,
der seiner Darstellung durchweg ein eigenes Gepräge gibt3. Natür-
lich bleibt es unbenommen anzunehmen, daß er auch allerlei schrift-
liches Material vor sich gehabt hat, und für manche Stoffe ist dies
auch wahrscheinlich; eine Entscheidung im einzelnen Falle ist
kaum möglich und für die Bewertung seiner Arbeit von unter-
geordneter Bedeutung. Als er sein Werk verfaßte, war man in
Kanaan wie in Israel seit langem in der Kunst des Schreibens geübt
und es gab ausgebildete Gattungen der Prosaliteratur. Dazu ge-
hören die in den großen Monarchien des Orients seit alters geführ-
ten Aufzeichnungen über die Taten, Entscheidungen und Verord-
nungen der Könige am Hofe; aus ihnen wurden Listen der Könige
und Beamten mit Angabe der zugehörigen Regierungsjahre angelegt
und in den Archiven des Staates oder der Beamten aufbewahrt;
auch einzelne Begebenheiten, wichtige und unwichtige, konnten in
sie eingetragen werden. Ähnliches geschah vielfach an den großen
Tempeln und in den Verwaltungen der kleinen Staaten und Städte,
wie denn solche Aufzeichnungen offizieller Art auch den zahlreichen
historischen Notizen des biblischen Königsbuchs zugrunde liegen4.
Man sieht aber leicht, daß von Mitbenutzung solchen archivalischen
Materials durch J, wenn überhaupt, nur in so geringem Umfange
die Rede sein kann5, daß die Form seines Werkes davon völlig un-
berührt ist.
Anders steht es mit einer anderen Gattung der Prosaliteratur,
1 Ein Rätselspruch Jud 1414 18, Prahlspruch Gen 423f. Jud 1516, Auf-
ruf zum Kampf 2. Sam 204 1. Reg 1216, Siegeslied 1. Sam 187 295, Klage-
lied 2. Sam 333f.
2 Gen 218 19jj 925_27 l-2f- ~Vo’> Gen ^12 ^523 ~"29aab-
3 Siehe oben S. 95 ff.
4 Ed. Meyer, Geschichte des Altertums I l3, S. 226.
5 Vgl. die Liste der edomitischen Könige Gen 3631_39 oder die Angabe
über die Gründung von Hebron Num 1322, etwa auch die Namenliste 2. Sam
 
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