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Lullus, Raimundus; Hofmann, Joseph Ehrenfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 4. Abhandlung): Ramon Lulls Kreisquadratur — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42029#0004
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Cusanus-Studien VII: Jos. E. Hofmann

Schriften ist gelegentlich seltsam, seine Schlußweise erscheint uns
manchmal wunderlich. Aber wir müssen wohl beachten, daß Lull
nicht etwa für die Gelehrten und nicht in Latein schrieb, sondern
in der katalanischen und arabischen Volkssprache, und Kenner
versichern uns, daß die wohlbekannten lateinischen Übersetzungen
seiner Traktate durch mancherlei sinnstörende Fehler entstellt
seien. Den echten Lull geben sie uns auf keinen Fall wieder.
In der Geschichte der Mathematik wird Lull kaum erwähnt.
Was Cantor über ihn schreibt, zeugt von beklagenswerter Un-
kenntnis5. Es muß unumwunden zugestanden werden, daß Lull
kein bedeutender Mathematiker in unserm Sinne war. Wenn man
die mittelalterliche Mathematik wirklich verstehen will, muß man
sich überhaupt von unsern heutigen Auffassungen freimachen und
sich bemühen, die damalige Fachliteratur im Rahmen ihrer eige-
nen Zeit zu sehen und die interessanten Entwicklungslinien auf-
zufinden, die sich hier von Generation zu Generation, von Forscher
zu Forscher weiterspinnen. Von diesem Standpunkt aus ist der
von Cantor erwähnte und auch sonst gelegentlich genannte Traktat
De quadratura et triangulatura circuli von erheblichem geschicht-
lichem Interesse. Auf jeden Fall ist er eine der unmittelbaren Quel-
len der CusANischen Mathematik. Ob der mathematische Teil der
Lull sehen Abhandlung auch anderweitig mit Verständnis aufge-
nommen worden ist, vermag ich bei unserer augenblicklich noch
sehr dürftigen Kenntnis der mittelalterlichen Mathematik nicht zu
entscheiden.
Der Cusaner hat eine Reihe von LuLLSchen Werken in latei-
nischer Fassung besessen. In der Rücherei des Hospitals von Cues,
die auf seine Stiftung zurückgeht, enthalten die Codices 37, 81
5 Moritz Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik II2, Leipzig
1900, S. 114—115: „Raimundus Lullus, dessen schriftstellerische Tätigkeit
zwischen 1285 und 1315 fällt, muß in einer Geschichte der Mathematik immer-
hin genannt werden. Er hat eine eigene Schrift über die Quadratur des Kreises
und eine Geometrie verfaßt, welche in dem Übermaße religiösen Beiwerkes
unverständlich sind. Ebenderselbe hat in seiner Ars magna, einem Gemenge
von Logik, kabbalistischer und eigener Tollheit, unter welches, man weiß
nicht wie, einige Körner gesunden Menschenverstandes geraten sind, den Um-
fang eines Kreises in neun Teile geteilt und von jedem Teilungspunkte Ver-
bindungsgerade nach allen übrigen gezogen. So entsteht, ob ihm bewußt oder
nicht müssen wir in Frage lassen, ein Sternneuneck.“ . . . Cantor hat an-
scheinend von den immerhin zugänglichen LuLLSchen Originalschriften über-
haupt nichts angesehen, sondern stützt sich ausschließlich auf Prantls Über-
sicht4.
 
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