Metadaten

Lullus, Raimundus; Hofmann, Joseph Ehrenfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 4. Abhandlung): Ramon Lulls Kreisquadratur — Heidelberg, 1942

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42029#0006
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
6

Cusanus-Studien VII: Jos. E. Hofmann

Der Traktat De quadratura et triangulatura circuli ist im Juni
des Jahres 1299 niedergeschrieben15. Lull befand sich damals ge-
rade in einer heftigen Auseinandersetzung mit den Vertretern der
Pariser Universität. Er stand bereits in seinem 68. Jahr, hatte
aber noch nichts von seinem leidenschaftlichen Temperament ein-
gebüßt. Fachmathematiker war er keineswegs, und auf eine ge-
schlossene mathematische Darlegung kam es ihm auch gar nicht
an. Ausgangspunkt war für ihn die unmittelbare Anschauung; in
seine Figuren sah er mit spekulativem Sinn tiefere Zusammenhänge
hinein. Der mathematische Teil der Abhandlung war für ihn nur
die Einleitung zu einer weit tiefergehenden Betrachtung, worin die
ganze Theologie und die andern Wissenschaften unter einheitlichen
Gesichtspunkten zusammengefaßt werden sollten. Mit fieberhafter
Eile ist das Ganze niedergeschrieben. Das hat zu einer sehr un-
ausgeglichenen Darstellung geführt, deren mathematischer Inhalt
infolge der methodisch schlechten Anordnung nur schwer verständ-
lich ist. Ehe wir uns dem eigentlichen lateinischen Text zuwenden,
den ich an den Schluß der Abhandlung setze, wird es nötig sein
den Inhalt der mathematischen Einleitung, die uns allein beschäf-
tigen soll, genauer zu untersuchen.
An die Spitze seiner Ausführungen stellt Lull einen Satz, der
erstmals von seinem großen Gegner Averroes ausgesprochen
wurde16: Strecken und Kreisbögen lassen sich nicht ins Verhältnis
setzen; Bögen können auch vermittels des Zirkels nicht durch Strecken

ban sky zur Herstellung eines vorläufigen Editionstextes, der mir in einem
noch unkorrigierten Durchschlag vorlag. Für die Aushändigung dieses Durch-
schlags und die Bereitstellung von Photokopien der von mir benutzten Hand-
schriften bin ich der Cusanus-Kommission zu besonderem Dank verpflichtet.
15 Peers1, S. 289.
16 Ich führe hier die drei wichtigsten einschlägigen Stellen aus dem Ari-
stotele s-Kommentar des Averroes an. Dabei stütze ich mich auf die
lateinische Ausgabe des Johann Baptista Bagolinus, Venedig 1550—1552
apud Iuntas. Zu den Analytica posteriora I [Comm. 67) bemerkt Averroes:
Non est proportionabilitas secundum veritatem inter lineam rectam et circularem.
Zu den Physica VII [Comm. 29) fügt er bei: Et intendebat per hoc, quod im-
possibile est de quantitatibus esse aequales nisi rectas tantum aut circulares tan-
tum., scilicet quae sunt eiusdem speciei, cum istae sibi superponantur; et ideo
dicimus, quod quantitates curvae non aequabuntur nisi sint eiusdem circuli. Etwas
kürzer äußert er sich zu den Melaphysica X [Comm. 10): Linea enim arcualis
non potest aequari lineae rectae neque non recta non rectae. Diese Auffassung
des Averroes hat sich bis ins 17. Jahrhundert hinein gehalten. Siehe unten
S. 16—18.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften