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Karl Eingisch:
die Klage „schlüssig“ ist. Im zivilprozessualen Versäumnisver-
fahren ist bei Ausbleiben des Beklagten „das tatsächliche münd-
liche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen“ (sic!).
Der so angenommene Sachverhalt wird dann darauf untersucht,
wieweit er den Klageantrag juristisch rechtfertigt; hier kommt es
also nicht einmal zur Tatsachenfeststellung, sondern die Annahme
selbst ist die Grundlage der Urteilsfindung. Diese beliebig vermehr-
baren Beispiele zeigen, daß die Feststellung des konkreten Lebens-
sachverhalts ein plus bedeutet gegenüber der bloßen Vergegenwär-
tigung eben dieses Sachverhalts und daß sich die rechtliche Wür-
digung des Sachverhalts (Element Nr. 3) genau so gut an einen
bloß angenommenen wie an einen wirklich geschehenen und als
einen solchen „erwiesenen“ Sachverhalt anschließen kann. Doch
wollen und brauchen wir weiteres zur bloßen „Annahme“ nicht
auszuführen. Bei der praktischen Gesetzesanwendung steht durch-
aus im Vordergrund der Fall, daß sich die rechtliche Beurteilung
auf einen wirklich vorgekommenen Sachverhalt bezieht. Hier tre-
ten dann also zur Vergegenwärtigung des Sachverhalts die Fest-
stellung seiner Wirklichkeit und die rechtliche Würdigung, die eigent-
liche „Subsumtion“, hinzu. Diese beiden letzteren Elemente der
Gesetzesanwendung bergen logische Probleme, die wir im Folgen-
den untersuchen wollen, und die wir in der Reihenfolge, in der wir
sie behandeln werden, so formulieren können:
1. Was bedeutet die Subsumtion selbst des konkreten Sachver-
halts unter den gesetzlichen Tatbestand ?
2. Was bedeutet und wie vollzieht sich die Feststellung, daß
sich der konkrete Sachverhalt wirklich zugetragen hat ?
3. Wie verhalten sich jene Subsumtion und diese Feststellung
zueinander ? Wieweit und unter welchen Bedingungen lassen sie sich
trennen ? Denn wenn auch — wie eben betont — die rechtliche
Würdigung an bloß angenommene Sachverhalte anknüpfen kann
und insofern gegenüber der Tatsachenfeststellung isolierbar ist, so
ist doch nicht ausgeschlossen, daß die Tatsachenfeststellung dort,
wo sie stattfindet, bis zu einem gewissen Grade mit der rechtlichen
Würdigung verschmilzt. Daß es rechtliche Würdigung ohne Tat-
sachenfeststellung gibt, bedeutet noch nicht, daß sich alle Tatsa-
chenfeststellung ohne rechtliche Würdigung vollziehen läßt.
Merkwürdig genug ist, daß viele Juristen und unter ihnen beson-
nene Methodologen bereits im ersten Ansatz die Bedeutung des Unter-
satzes verkennen. So Heck, wenn er sagt: „Der Richter verwendet einen
Karl Eingisch:
die Klage „schlüssig“ ist. Im zivilprozessualen Versäumnisver-
fahren ist bei Ausbleiben des Beklagten „das tatsächliche münd-
liche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen“ (sic!).
Der so angenommene Sachverhalt wird dann darauf untersucht,
wieweit er den Klageantrag juristisch rechtfertigt; hier kommt es
also nicht einmal zur Tatsachenfeststellung, sondern die Annahme
selbst ist die Grundlage der Urteilsfindung. Diese beliebig vermehr-
baren Beispiele zeigen, daß die Feststellung des konkreten Lebens-
sachverhalts ein plus bedeutet gegenüber der bloßen Vergegenwär-
tigung eben dieses Sachverhalts und daß sich die rechtliche Wür-
digung des Sachverhalts (Element Nr. 3) genau so gut an einen
bloß angenommenen wie an einen wirklich geschehenen und als
einen solchen „erwiesenen“ Sachverhalt anschließen kann. Doch
wollen und brauchen wir weiteres zur bloßen „Annahme“ nicht
auszuführen. Bei der praktischen Gesetzesanwendung steht durch-
aus im Vordergrund der Fall, daß sich die rechtliche Beurteilung
auf einen wirklich vorgekommenen Sachverhalt bezieht. Hier tre-
ten dann also zur Vergegenwärtigung des Sachverhalts die Fest-
stellung seiner Wirklichkeit und die rechtliche Würdigung, die eigent-
liche „Subsumtion“, hinzu. Diese beiden letzteren Elemente der
Gesetzesanwendung bergen logische Probleme, die wir im Folgen-
den untersuchen wollen, und die wir in der Reihenfolge, in der wir
sie behandeln werden, so formulieren können:
1. Was bedeutet die Subsumtion selbst des konkreten Sachver-
halts unter den gesetzlichen Tatbestand ?
2. Was bedeutet und wie vollzieht sich die Feststellung, daß
sich der konkrete Sachverhalt wirklich zugetragen hat ?
3. Wie verhalten sich jene Subsumtion und diese Feststellung
zueinander ? Wieweit und unter welchen Bedingungen lassen sie sich
trennen ? Denn wenn auch — wie eben betont — die rechtliche
Würdigung an bloß angenommene Sachverhalte anknüpfen kann
und insofern gegenüber der Tatsachenfeststellung isolierbar ist, so
ist doch nicht ausgeschlossen, daß die Tatsachenfeststellung dort,
wo sie stattfindet, bis zu einem gewissen Grade mit der rechtlichen
Würdigung verschmilzt. Daß es rechtliche Würdigung ohne Tat-
sachenfeststellung gibt, bedeutet noch nicht, daß sich alle Tatsa-
chenfeststellung ohne rechtliche Würdigung vollziehen läßt.
Merkwürdig genug ist, daß viele Juristen und unter ihnen beson-
nene Methodologen bereits im ersten Ansatz die Bedeutung des Unter-
satzes verkennen. So Heck, wenn er sagt: „Der Richter verwendet einen