VI. Bekanntwerden der Germanen mit dem Öl
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Das Olivenöl wurde den Germanen erst bei ihrer Be-
rührung mit den klassischen Völkern bekannt. Die Goten
haben in ihrem alew η. '0Γ, alewa-bagms m. 'Ölbaum’ ein frühes,
volkstümliches Lehnwort, dessen Lautstand aber der Erklärung
Schwierigkeiten bereitet. Aus lat. oliv um kann alew nicht
herstammen; denn in der Bibelübersetzung des Wulfila im
4. Jahrhundert n. Chr. wird in Entlehnungen aus dem Griechischen
und Lateinischen das o nicht mehr zu a gewandelt, sondern regel-
recht durch au = [o] wiedergegeben1; z. B. got. aurtigards zu lat.
hortus, skaurpjo aus lat. scorpio; und lat. I würde auch im Ger-
manischen als ϊ (gotisch geschrieben ei) erscheinen. Dagegen ließe
sich alew ohne weiteres aus der altlateinischen Form*olevom
(s. oben S. 65) herleiten, wenn die Entlehnung zu einer Zeit erfolgte,
wo das o noch den Lautwandel o—a mitmachen konnte, und wo
nicht nur das im klassischen Latein ausgefallene v von *olevom, son-
dern auch das e, das schon um 150 v. Chr. zu l wurde2, noch erhalten
war. Das heißt, die Entlehnung müßte spätestens um 200 v. Chr.
erfolgt sein. Damals aber saßen die Goten noch an der unteren
Weichsel. Ist es denkbar, daß sie in dieser frühen Zeit schon das
Olivenöl kannten? M. Heyne3 nimmt es an oder ist wenigstens
der Meinung, daß die Goten Wort und Sache „schon längere Zeit
vor der Völkerwanderung, auf dem Handelswege durch römische
wandernde Krämer“ erhielten. Aber dann ist es uxibegreiflich, daß
die West- oder Südgermanen, die doch dem römischen Reich wesent-
lich näher wohnten als die Goten an der unteren Weichsel, das Öl
nicht auch schon so früh kennen lernten, sondern, wie wir sehen
werden (unten S. 74f.), erst bei ihrer Christianisierung mit dem
Olivenöl bekannt wurden. Außerdem ist es an und für sich höchst
fraglich, ob die Goten schon in ihrer Heimat das Olivenöl als kost-
baren Handelsartikel aus Südeuropa bezogen, ohne dafür eine be-
sondere Verwendung zu haben, für die ihre heimischen Tierfette
nicht auch genügten.
R. Much4 vermutet, daß älteres lat. *oleivom frühzeitig
ins Keltische übernommen worden sei, wo es lautgesetzlich
1 Vgl. W. Braune, Got. Grammatik9 § 24, Anm. 5.
2 Solmsen, Indogerm. Forsch. 5, 345 (1895). Kretschmer, Einl. in die
Gesch. d. Griech. Sprache 113. Vgl. oben S. 64f.
3 Anz. f. deutsches Altertum 14, 285 (1888). Vgl. auch seine Dtsch.
Hausaltertümer I 61 (1899); Dtsch. Wörterbuch2 II 1064 (1906).
4 PBBeitr. 17, 34 (1892).
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Das Olivenöl wurde den Germanen erst bei ihrer Be-
rührung mit den klassischen Völkern bekannt. Die Goten
haben in ihrem alew η. '0Γ, alewa-bagms m. 'Ölbaum’ ein frühes,
volkstümliches Lehnwort, dessen Lautstand aber der Erklärung
Schwierigkeiten bereitet. Aus lat. oliv um kann alew nicht
herstammen; denn in der Bibelübersetzung des Wulfila im
4. Jahrhundert n. Chr. wird in Entlehnungen aus dem Griechischen
und Lateinischen das o nicht mehr zu a gewandelt, sondern regel-
recht durch au = [o] wiedergegeben1; z. B. got. aurtigards zu lat.
hortus, skaurpjo aus lat. scorpio; und lat. I würde auch im Ger-
manischen als ϊ (gotisch geschrieben ei) erscheinen. Dagegen ließe
sich alew ohne weiteres aus der altlateinischen Form*olevom
(s. oben S. 65) herleiten, wenn die Entlehnung zu einer Zeit erfolgte,
wo das o noch den Lautwandel o—a mitmachen konnte, und wo
nicht nur das im klassischen Latein ausgefallene v von *olevom, son-
dern auch das e, das schon um 150 v. Chr. zu l wurde2, noch erhalten
war. Das heißt, die Entlehnung müßte spätestens um 200 v. Chr.
erfolgt sein. Damals aber saßen die Goten noch an der unteren
Weichsel. Ist es denkbar, daß sie in dieser frühen Zeit schon das
Olivenöl kannten? M. Heyne3 nimmt es an oder ist wenigstens
der Meinung, daß die Goten Wort und Sache „schon längere Zeit
vor der Völkerwanderung, auf dem Handelswege durch römische
wandernde Krämer“ erhielten. Aber dann ist es uxibegreiflich, daß
die West- oder Südgermanen, die doch dem römischen Reich wesent-
lich näher wohnten als die Goten an der unteren Weichsel, das Öl
nicht auch schon so früh kennen lernten, sondern, wie wir sehen
werden (unten S. 74f.), erst bei ihrer Christianisierung mit dem
Olivenöl bekannt wurden. Außerdem ist es an und für sich höchst
fraglich, ob die Goten schon in ihrer Heimat das Olivenöl als kost-
baren Handelsartikel aus Südeuropa bezogen, ohne dafür eine be-
sondere Verwendung zu haben, für die ihre heimischen Tierfette
nicht auch genügten.
R. Much4 vermutet, daß älteres lat. *oleivom frühzeitig
ins Keltische übernommen worden sei, wo es lautgesetzlich
1 Vgl. W. Braune, Got. Grammatik9 § 24, Anm. 5.
2 Solmsen, Indogerm. Forsch. 5, 345 (1895). Kretschmer, Einl. in die
Gesch. d. Griech. Sprache 113. Vgl. oben S. 64f.
3 Anz. f. deutsches Altertum 14, 285 (1888). Vgl. auch seine Dtsch.
Hausaltertümer I 61 (1899); Dtsch. Wörterbuch2 II 1064 (1906).
4 PBBeitr. 17, 34 (1892).