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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1944/48, 3. Abhandlung): Drei Erdkarten: ein Beitrag zur Erdkenntnis des hebräischen Altertums — Heidelberg, 1949

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https://doi.org/10.11588/diglit.42185#0010
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Gustav Hölscher

tliisches Wesen empfunden1, sondern als rein kosmische Größe ge-
dacht. In unerreichter Tiefe lagert Tehöm (lob 2819 3816). Als Jahve
den Himmel baute, zeichnete er den Kreis (hüg)2 des Horizontes auf
Tehöm, er befestigte die Wolken droben und ließ die Quellen Tehöms
erstarken (Prov 827_28). Von dort, aus den Fenstern des Himmels
und aus den Quellen Tehöms, brachen einst die Wasser der Sintflut
hervor (Gen 7n 82). Von dort kommt noch heute das befruchtende
Naß (Dt3313 = Gen 4925), und wenn Tehöm von Feuer verbrannt
wird, verdorrt das Gras (Am 74)3. In der jüngeren Literatur wird
Tehöm immer mehr zu einem rein geographischen Begriff, der das
Meer und jedes große Wasser bezeichnen kann und gern auch im
Plural gebraucht wird.
Mitten im Wasser, über dem Kreis der Erde4, hat Jahve seinen
Palast5 gebaut, sein Obergemach ,,gebälkt“6, ein hohes Gebäude
mit festem Boden (räqPa), auf Säulen ruhend7, aufsitzend auf dem
Horizont8 und wie ein Zelt über die Erde gespannt9. An dieser Him-
melsdecke sind die Sterne befestigt10; ihr höchster Punkt ist der
Himmelspol11. Sonne und Mond wandeln täglich an ihm ihre Bahn.
Die Erde steht im Wasser, mitten im Meer12, auf festen Funda-
1 Wo der Dichter den Drachen des Urwassers nennt, gebraucht er Na-
men wie Liviätän (Ps,7414) oder Rahab (lob 913 2612 Jes 519 Ps 89n) oder er
spricht vom Drachen, tannln (Jes 519 Ps 7413 lob 712).
2 Ygl S. 61.
3 Vgl. auch I Hen 607: die Tiefe des Meeres über den Quellen der Wasser.
4 Jes 4022. 5 Ps 187 299 114; ein ,,Bollwerk“ Ps 83.
6 Ps 1043. 13 Am 94, vgl. IV Esr 820.
7 2. Sam 228 lob 26n, vgl. I Hen 185.
8 lob 2214 Prov 827 Sir 245 4312.
9 Jes 4 0 22 Jer 1012 Ps 1042 lob 98 3629 u. a. 10 Gen 114. 11 lob 2212.
12 Ps 242 136c; ähnlich lob 26,: Gott spannt den Norden über dem Chaos
(töhü), hängt die Erde auf über dem Nichts (belimä). Hugo Berger (Geschich-
te der wissenschaftlichen Erdkunde der Griechen, 2. Aufl. 1903, S. 33) findet
in der Hiobstelle die Ansicht von einem freien Schweben der vom Himmelsge-
wölbe gelösten Erde ausdrückt, wie sie dem Anaximander von Milet (und
dem Piierek ydes von Syros) zugeschrieben wird, wonach die Erde in der Mit-
te der kugelförmigen Welt frei schwebt, festgebannt durch allseitig gleichen
Abstand vom Innenraum der Himmelskugel. Aber das widerspräche nicht nur
den sonstigen Vorstellungen des Hiobdichters, der die übliche Auffassung von
den Säulen der Erde (98) und des Himmels (26u) teilt, sondern scheint mir auch
die hebräischen Ausdrücke töhü und belimä mißzuverstehen, die in der poeti-
schen Sprache des Verfassers nichts anderes bedeuten, als den chaotischen Ab-
grund, das Wasser unter der Erde. Auch redet der Text nicht von freiem Schwe-
ben, sondern vom Aufgehängtsein der Erde, ähnlich wie es I Hen 6919 vom Him-
mel heißt, daß er durch den Eid Gottes „befestigt und aufgehängt“ ist.
 
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