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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1944/48, 3. Abhandlung): Drei Erdkarten: ein Beitrag zur Erdkenntnis des hebräischen Altertums — Heidelberg, 1949

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https://doi.org/10.11588/diglit.42185#0035
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IV. DIE VIER PARADIESSTRÖME

Gen 210_14: „Und ein Strom geht aus von Eden, den Garten zu
tränken, und er teilt sich von dort aus in vier Arme1. Der Name des
einen ist Plsön; derselbe umgibt das ganze Land Chäwilä, woselbst
das Gold ist, und das Gold dieses Landes ist gut; auch ist daselbst
das Bedolach2 und der Sohamstein3. Und der Name des zweiten
Stromes ist Gichön; derselbe umgibt das ganze Land Küs. Und der
Name des dritten Stromes ist Chiddeqel (Tigris); derselbe geht öst-
lich von ’Assür. Und der vierte Strom ist der Perät (Euphrat)“.
Um das hier vorausgesetzte Erdbild zu verstehen, ist auszuge-
hen von der Lage des Gartens, den die ältere Quelle (28) im Osten
sucht4 und als eine Oase im Steppenlande beschreibt. Die Steppe
ist für den palästinischen Verfasser die syrisch-arabische, die sich
nach seiner Vorstellung weithin nach Osten, bis gegen den Rand der
Erde hin erstreckt. Dort liegt für ihn der Gottesgarten mit dem
1 Wörtlich: „und er teilt sich von dort aus und wird zu vier Häuptern“,
d. h. Flußanfängen; vgl. arab. ra’s en-nahr, assyr. res näri, griech. κεφαλή του
ποταμού; auch arab. ra’s el-'ain, assyr. res eni, lat. caput aquae, deutsch Brun-
nenhaupt.
2 Ein wohlriechendes Harz.
3 Ein Edelstein.
4 Eine andere Vorstellung über die Lage des Gartens 'Eden glaubt H.
Gunicel in Gen 324 und 41β zu erkennen. Nach 324 läßt das aus 'Eden vertrie-
bene Menschenpaar sich „östlich vom Garten 'Eden“ (miqqedem legan 'eden)
nieder, und nach 41β flüchtet Qain vor Jahves Antlitz vom Ackerlande „in das
Land Nöd östlich von 'Eden“ (qidmat 'eden); Gunkel schließt daraus auf eine
Lage 'Edens im fernen Westen und beruft sich dafür auf das Gilgamesch-Epos,
wo nach P. Jensen (Keilinschriftliche Bibliothek VI, 1, S. 507 und Gilgamesch-
Epos, S. 33, Anm. 3) der Sintflutheld Ut-napistim fern im Westen „an der
Mündung der Ströme“ wohne; Jensen sucht diese „Mündung der Ströme“ an
der Straße von Gibraltar. Aber diese Lokalisierung erscheint ganz zweifelhaft;
man denkt wohl besser an die Mündung von Euphrat und Tigris in den Persi-
schen Meerbusen. Die Angaben Gen 324 und 416 können auch verstanden wer-
den, wenn man den Garten 'Eden in den Norden verlegt, von wo das vertrie-
bene Menschenpaar zuerst in den fernen Osten des Erdkreises zieht. Alle Quel-
len der israelitischen Urgeschichte suchen die Anfänge der Menschheit im Osten,
nicht nur J, sondern auch E, der Abraham aus ’Aräm Nahäraim, und P, der
ihn aus ’Ur Kasdim nach Kanaan wandern läßt. Es wäre unvorstellbar, wie
sich die hebräischen Erzähler eine Wanderung des ersten Menschenpaares aus
einem im Westen jenseits des Meeres gelegenen Gottesgarten nach dem Osten
des Erdkreises gedacht haben sollten; mit einer unbegrenzten Unklarheit my-
thischer Phantasie ist da nichts geholfen.
 
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