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Friedrich Panzer
Thüringertone angehört habe, dessen erste Zeile einen auftaktlosen
vierhebig stumpfen Vers verlangt. Einzig A. Wallner bat (PBB.
33, 1900, 7) die Frage aufgeworfen, ob nicht Wolframs Verse doch
auf den uns überlierferten Spruch Walthers sich beziehen, dessen
„Sinn sie jedenfalls knapp und treffend mit den Worten ,Guoten
tac, bcese unde guotV wiedergeben.“ C. v. Kraus, (Walther v. d.
Vogelweide, Untersuchungen, 1935, S. 60) hat aber die Richtigkeit
dieser Auffassung angezweifelt, da die bestimmte Fassung notwen-
dig auf einen Anfang deute, der die Grußformel enthielt.
Ich habe lange ebenso gedacht und gelehrt. Heute aber glaube
ich bestimmt, daß Wallner das Richtige geahnt hat. Wolframs
Worte sind in der Tat die präziseste Wiedergabe von Walthers
Spruch, die man sich denken kann. Er hat den Sänger nur, und das
ist echt Wolframisch, witzig übersteigert mit seiner Zusammen-
ziehung des zwölfzeiligen Spruches auf eine einzige Verszeile, die
mit ihrer Begrüßung von bcese unde guot der Problematik des land-
gräflichen Hofes in der lebendigsten Form sicheren Ausdruck gibt.
Daß hier in der Tat nichts anderes als ein am uns erhaltenen Ori-
ginale nachprüfbares Zitat vorliegt, dessen, freilich sehr eigenartige,
Form in unserer mittelalterlichen Überlieferung keineswegs allein
steht, hoffe ich durch die nachfolgenden Belege zu erhärten.
Im 8. Buche des Parzival läßt Wolfram einen Herzog Liddamus,
Lehensträger des Königs Vergulaht von Ascalun, auftreten. Er
gerät in ein Streitgespräch mit dem Landgrafen Kingrimursel, der
ihm seine von langeher bekannte und oft bewiesene Feigheit zum
Vorwurfe macht. Liddamus denkt frivol genug, um unbekümmert
um das Gebot ritterlicher Ehre sein feiges Verhalten ohne Wider-
spruch einzugestehen und zu rechtfertigen. Er erinnert seinen Geg-
ner dabei an Gestalten ritterlicher und heroischer Dichtung, die
sich ebenso verhalten hätten: an Tranzes, eine Virgil entnommene
Figur aus Veldekes Eneit, oder den Sibich deutscher Heldendich-
tung, der nie das Schwert zog, sich stets zu den Fliehenden hielt und
dennoch König Ermanrichs Gunst in reichem Maße genoß. Auch
Gestalten aus dem Nibelungenkreis werden von ihm in Sinn und Ge-
gensinn beschworen. Ich will, erklärt er (420, 20ff.), um niemandes
Avillen mein Leben in schweren Kämpfen aufs Spiel setzen:
waz Wolf harts solt ich sin ?
mirst in den strit der wec vergrabt,
gein veliten diu gir verliabt.
wurdet ir mirs nimmer holt,
Friedrich Panzer
Thüringertone angehört habe, dessen erste Zeile einen auftaktlosen
vierhebig stumpfen Vers verlangt. Einzig A. Wallner bat (PBB.
33, 1900, 7) die Frage aufgeworfen, ob nicht Wolframs Verse doch
auf den uns überlierferten Spruch Walthers sich beziehen, dessen
„Sinn sie jedenfalls knapp und treffend mit den Worten ,Guoten
tac, bcese unde guotV wiedergeben.“ C. v. Kraus, (Walther v. d.
Vogelweide, Untersuchungen, 1935, S. 60) hat aber die Richtigkeit
dieser Auffassung angezweifelt, da die bestimmte Fassung notwen-
dig auf einen Anfang deute, der die Grußformel enthielt.
Ich habe lange ebenso gedacht und gelehrt. Heute aber glaube
ich bestimmt, daß Wallner das Richtige geahnt hat. Wolframs
Worte sind in der Tat die präziseste Wiedergabe von Walthers
Spruch, die man sich denken kann. Er hat den Sänger nur, und das
ist echt Wolframisch, witzig übersteigert mit seiner Zusammen-
ziehung des zwölfzeiligen Spruches auf eine einzige Verszeile, die
mit ihrer Begrüßung von bcese unde guot der Problematik des land-
gräflichen Hofes in der lebendigsten Form sicheren Ausdruck gibt.
Daß hier in der Tat nichts anderes als ein am uns erhaltenen Ori-
ginale nachprüfbares Zitat vorliegt, dessen, freilich sehr eigenartige,
Form in unserer mittelalterlichen Überlieferung keineswegs allein
steht, hoffe ich durch die nachfolgenden Belege zu erhärten.
Im 8. Buche des Parzival läßt Wolfram einen Herzog Liddamus,
Lehensträger des Königs Vergulaht von Ascalun, auftreten. Er
gerät in ein Streitgespräch mit dem Landgrafen Kingrimursel, der
ihm seine von langeher bekannte und oft bewiesene Feigheit zum
Vorwurfe macht. Liddamus denkt frivol genug, um unbekümmert
um das Gebot ritterlicher Ehre sein feiges Verhalten ohne Wider-
spruch einzugestehen und zu rechtfertigen. Er erinnert seinen Geg-
ner dabei an Gestalten ritterlicher und heroischer Dichtung, die
sich ebenso verhalten hätten: an Tranzes, eine Virgil entnommene
Figur aus Veldekes Eneit, oder den Sibich deutscher Heldendich-
tung, der nie das Schwert zog, sich stets zu den Fliehenden hielt und
dennoch König Ermanrichs Gunst in reichem Maße genoß. Auch
Gestalten aus dem Nibelungenkreis werden von ihm in Sinn und Ge-
gensinn beschworen. Ich will, erklärt er (420, 20ff.), um niemandes
Avillen mein Leben in schweren Kämpfen aufs Spiel setzen:
waz Wolf harts solt ich sin ?
mirst in den strit der wec vergrabt,
gein veliten diu gir verliabt.
wurdet ir mirs nimmer holt,