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Panzer, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1949/50, 2. Abhandlung): Vom mittelalterlichen Zitieren — Heidelberg, 1950

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https://doi.org/10.11588/diglit.42217#0012
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Friedrich Panzer

Denn bsen heißt nicht „bähen lassen“ und bat heißt niemals „hot an“.
Was da steht, heißt nichts anderes als: „er hieß ihn, den König!,
lange Schnitten bähen und in seinem Kessel umdrehen“; das „sei-
nem“ bei Nennung des Kessels, auf das die gesamte Überlieferung
führt, darf keinesfalls mit Lachmann und Leitzmann aus Wolf-
rams Text der Metrik halber herausgestrichen werden, da es ja die
sichtlich beabsichtigte Tollheit der Entstellung des Originaltextes
wesentlich steigert. Es liegt auf der gleichen Linie, wenn Rumolt
als koch bezeichnet wird. Im Liede ist er Küchenmeister, Inhaber
also eines der Hofämter, die in der Zeit des Nibelungenliedes längst
in den Händen des Adels, vielfach des Hochadels lagen. Rumold
wird beim Auszuge der Burgundenkönige nach dem Heunenlande
von Günther für die Zeit seiner Abwesenheit zu seinem Vertreter
bestimmt, das Land und die gesamte königliche Lamilie seinem
Schutze übergeben. Er ist also nach dem Abzüge der Könige und
ihres Gesindes der höchste Hofbeamte, ist vermutlich — gesagt wird
es nicht — wie der Marschall Dankwart und der Truchseß Ortwin
als Verwandter des Königshauses gedacht. Schon die Vorhalte und
Leststellungen, mit denen Rumold in B* den König zu bewegen
sucht, daß er daheim bleibe, haben, der einzige Lall im ganzen Liede,
etwas leise Humoristisches. Die Verheißung, die C* daraus gemacht
hat, verstärkt diese Lärbung beträchtlich. Wolfram hat dann mit
seiner Lormulierung das Ganze völlig ins Burleske gewandt: eine
deutlich in Stufen aufsteigende Linie, deren Glieder keine andere
Anordnung dulden. Ich hin überzeugt, daß für diese Charakteri-
sierung des Küchenmeisters schon von der untersten Stufe an Ein-
wirkung französischer Epik im Spiele war, in der die Köche durch-
weg als eine schamlose, zu jedem Unfug bereite Gesellschaft er-
scheinen. Wolfram kannte das zum mindesten aus der Bataille
d’Aliscans sehr wohl, wie die Küchenszenen im Willehalm beweisen.
Daraus wird seine tolle Übersteigerung unseres Auftrittes doppelt
verständlich.
Ich habe das Verhältnis, in dem Wolfram zu den beiden Las-
sungen des Nibelungentextes steht, so ausführlich behandelt, weil
seine Leststellung für unsere Literaturgeschichte von Wichtigkeit
ist; die genauere Datierung der Entstehung des Nibelungenliedes
und seiner Umarbeitung in C* hängt wesentlich daran. Ich will das
aber hier nicht weiter ausführen, um nicht unliebsam den Zusam-
menhang zu unterbrechen, um den es hier geht, wo vom Wesen
mittelalterlichen Zitierens die Rede sein soll. Ich werde mir jedoch
 
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