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Panzer, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1949/50, 2. Abhandlung): Vom mittelalterlichen Zitieren — Heidelberg, 1950

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https://doi.org/10.11588/diglit.42217#0034
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Friedrich Panzer

eignisse des alten Bundes sind wohl geschichtliche Ereignisse, aber
sie ruhen nicht bloß in sich, sondern sind durchweg zugleich Präfi-
gurationen der Personen und Ereignisse des neuen Bundes, und
selbst die Profangeschichte muß in den Bahnen verlaufen, die in
Daniels Traum vorgezeichnet sind. Die Partizipation ist hier ebenso
mystisch wie hei den Primitiven, aber die Unterschiede sind natür-
lich gleichwohl beträchtlich. Einmal weil hier nicht jene volle Ein-
heit des Zweifachen besteht wie in der Weltanschauung der Primi-
tiven; der Löwe ist nicht gleichzeitig Löwe und Christus, so wie etwa
brasilianische Indianer gleichzeitig Ararapapageien sind, nicht nach
gewöhnlicher totemistischer Lehre von Papageien abstammen, son-
dern nach ihrer eigenen Auffassung und Erklärung Papageien sind.
Der Löwe ist nicht Christus, sondern besitzt nur Eigenschaften,
die identisch sind mit solchen Christi oder vielmehr auf solche deu-
ten, so daß doch zwei Bereiche deutlich unterschieden werden, ein
irdischer und ein himmlischer. Und zum zweiten laufen nicht wie
in der Weitsicht der Primitiven die mystischen Beziehungen un-
absehbar hin und her, sondern sind durchweg einheitlich orientiert
auf die Beziehung des Menschen zum Christengott, auf den gött-
lichen Heilsplan.
Was von dieser geistigen Haltung auch für die Gestaltung der
Zitate von Bedeutung ist, der unsere Aufmerksamkeit gegolten hat,
ist dies, daß wir in der besprochenen geistigen Haltung und Be-
tätigung ein stark subjektives Element hei aller Perzipierung finden,
wie es uns auch beim Zitieren auffällig begegnet ist.
Es kommt dazu, daß wir in der besprochenen Art der Perzeption
der Welt auch vielfach das Prinzip des Pars pro toto wirksam sehen,
und eben das führt wie bei den Primitiven vielfach zum Symbol.
Als beliebig gewähltes Beispiel mag man die Bilder zur Manesse-
schen Handschrift betrachten, die eindrucksvoll zeigen, worum es
sich hier handelt. Sie sind als Bildnisse gemeint, aber grundsätzlich
vollkommen verschieden von dem, was wir unter Bildnis verstehen
und dafür fordern. Ihre Gestalten entbehren jeglicher Individuali-
tät in der körperlichen Erscheinung. Eine sieht aus wie die andere, ja
die Gesichter sind wohl gar vom Helmvisier zugedeckt. Daß es sich
bei den Dargestellten um Wolfram von Eschenbach oder Hartmann
von Aue handelt, wird zur Not allein aus dem beigefügten Wappen
ersichtlich, also einem Symbol im ausgesprochenen und äußerlich-
sten Sinne des Wortes.
 
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