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Panzer, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1949/50, 2. Abhandlung): Vom mittelalterlichen Zitieren — Heidelberg, 1950

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https://doi.org/10.11588/diglit.42217#0042
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Friedrich Panzer

gewesen wäre für einen Geistlichen, der der Klagedichter sicher war.
Die kaiserliche Abtei von Lorsch war schon durch ihren riesenhaften
Grundbesitz in ganz Deutschland bekannt genug; ein Geistlicher
konnte leicht auch wissen, daß dort Frauen in halb klösterlicher
Weise lebten. Von Alzey spricht Wilhelm als von einem „zu An-
fang des 13. Jahrhunderts noch nicht bedeutenden Ort“. Das ist
irreführend. Alzey wurde freilich erst 1277 zur Stadt erhoben („mit
reichsstädtischen Rechten begabt“, wie Wilhelm sagt, war es übri-
gens nie). Aber es hatte einen uralten Herrenhof mit weitreichendem
Grundbesitz und volle Immunität.
Dem Ansätze Wilhelms: Klage nach 1214, also auch C nach
1214, ist nun die Parzivalstelle im achten Buche peinlich im Wege,
wenn sie sich auf eine C-Strophe beziehen soll. Wilhelm räumt das
Hindernis aus dem Wege durch eine sehr eigenartige Interpretation
der Verse: er bat in lange sniten bsen und imme kezzel urnbe drsen.
Er führt an, daß nach Wanders Sprichwörterlexikon 5, 891 in
Schlesien zwei sprichwörtliche Redensarten gebraucht werden: Mid
ar sette Beschulte koan a sich a ToVr cdhäla im Sinne von „damit
kann er sich aus der Verlegenheit helfen“ und „Ich hoan techtige
Beschulte kriget“, „ein Geschenk bekommen oder einen Gewinn ge-
macht“. „Damit ist gesichert“, sagt Wilhelm, ,, daß Wolfram
Parz. 420, 29 eine sprichwörtliche Redensart von Sniten-hsehen ver-
wandt hat, die den Sinn hatte: „sei auf deinen Vorteil bedacht und
bleibe daheim“, ja es ist möglich, daß wir in den Versen
tuo dir lange sniten bsen
und imme kezzel umbe drsen
ein fränkisches Sprichwort vor uns haben. Damit entfällt nun jeder
Grund, die Parzivalstelle von Nib. C abhängig zu machen, denn zu
Hause zu bleiben und auf seinen Vorteil bedacht zu sein rät Rumold
ja dem König Günther auch in Nih. B 1465 bis 69.“ C hat diese Parzi-
valstelle dann mißverständlich wörtlich genommen und daraus seine
sniten in öl gebrouwen gemacht, weil ihm die fränkische Redensart
nicht bekannt war.
Wilhelm hat manches Merkwürdige verlauten lassen, dies ist
wohl das seltsamste, das er vorgebracht hat. Die Vergewaltigung
des Sinnes, die den schlesischen Redensarten in vollem Widerspruch
zu dem, was durch WaNDER bezeugt ist, zuteil wird, ist wahrhalt
grotesk. Wanders Angaben finden sich wiederholt und bestätigt
bei K. Rotfier, Die schlesischen Sprichwörter und Redensarten
 
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