Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab
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II a
Die Nachrichten, die Paulus bringt, sichern die Ostergescheh-
nisse in Galiläa. Für die frühen jerusalemischen Vorgänge bieten
sie uns nichts. Nur dies wird gesagt, daß Jesus gestorben und be-
graben wurde und am dritten Tage wieder auferstand. Aber die Fol-
gerung, Paulus müsse vom leeren Grabe schon gewußt haben, weil
er das Begräbnis erwähnt46a, ist gewiß zu kühn. Zweifellos rechnet
Paulus mit einer realen Verwandlung und Verklärung des gestor-
benen Leibes und insofern auch mit einem ,,Leer“-werden des Gra-
bes47; aber auf bestimmte Nachrichten braucht er sich dabei nicht
gestützt zu haben. „Gestorben und begraben“ — eine solche Wen-
dung soll vielleicht nur die Realität und scheinbare Endgültigkeit
des Todes als solche unterstreichen und besagt darüber hinaus dann
nichts weiter48. Wir müssen uns also für das, was in Jerusalem
geschah, ausschließlich an die evangelische Überlieferung halten,
und diese ist in der uns vorliegenden Form jünger als Paulus und
hat sich unter anderen, für die historische Zuverlässigkeit wesent-
lich ungünstigeren Umständen gebildet49. Legendarische, apolo-
getische, z. T. auch kultisch-liturgische und polemisch-kirchenpoli-
tische Tendenzen machen sich hier bereits bemerkbar. Unter allen
erhaltenen Berichten stimmen nicht zwei miteinander überein. Al-
lein, der ungünstige Eindruck, der so entsteht, wird doch erheblich
gemildert, wenn man sich entschließt, die nachweislich jüngeren
Berichte zunächst einmal samt und sonders beiseitezuschiehen und
ausschließlich der Markusüberlieferung zu folgen, die in allen wei-
teren Evangelien als Quelle verarbeitet und fortentwickelt ist.
46a So G. Kittel, Die Auferstehung Jesu, Deutsche Theol. 4 (1937) 140f. und
A. NiKOLAiNEN, Der Auferstehungsglauben in der Bibel und ihrer Umwelt II: Neu-
testamentlicher Teil (1946) 60f.; vorsichtiger auch Rengstore S. 36. 41.
47 Das ergibt sich aus der Gleichläufigkeit, in der die Auferstehung der Christen
bei ihm zur Auferstehung Jesu erscheint als des „Erstgeborenen unter vielen Brü-
dern“ (Rm. 8, 29).
48 In diesem Sinn kann auf Act. 2, 29 verwiesen werden. Die Bedeutung der
paulinischen Formel wäre dann möglicherweise bereits antidoketisch zu bestim-
men; so Schniewind S. 122: „Kein Scheintod, kein Abschied des άνω Χριστός
vom κάτω Ίησοΰς vor dem Leiden oder im Leiden. Vielmehr die Realität eines wirk-
lichen Sterbens...“
49 Zum folgenden verweise ich ein für alle Mal auf die umfassende motivge-
schichtliche Analyse der Auferstehungsüberlieferung durch Lyder Brun (o. Anm.
13) und die formgeschichtlichen Untersuchungen von M. DlBELlUS, Die Form-
geschichte des Evangeliums (19332), R. Bultmann, Die Geschichte der synopti-
schen Tradition (19312) und Finegan (o. Anm. 13).
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Die Nachrichten, die Paulus bringt, sichern die Ostergescheh-
nisse in Galiläa. Für die frühen jerusalemischen Vorgänge bieten
sie uns nichts. Nur dies wird gesagt, daß Jesus gestorben und be-
graben wurde und am dritten Tage wieder auferstand. Aber die Fol-
gerung, Paulus müsse vom leeren Grabe schon gewußt haben, weil
er das Begräbnis erwähnt46a, ist gewiß zu kühn. Zweifellos rechnet
Paulus mit einer realen Verwandlung und Verklärung des gestor-
benen Leibes und insofern auch mit einem ,,Leer“-werden des Gra-
bes47; aber auf bestimmte Nachrichten braucht er sich dabei nicht
gestützt zu haben. „Gestorben und begraben“ — eine solche Wen-
dung soll vielleicht nur die Realität und scheinbare Endgültigkeit
des Todes als solche unterstreichen und besagt darüber hinaus dann
nichts weiter48. Wir müssen uns also für das, was in Jerusalem
geschah, ausschließlich an die evangelische Überlieferung halten,
und diese ist in der uns vorliegenden Form jünger als Paulus und
hat sich unter anderen, für die historische Zuverlässigkeit wesent-
lich ungünstigeren Umständen gebildet49. Legendarische, apolo-
getische, z. T. auch kultisch-liturgische und polemisch-kirchenpoli-
tische Tendenzen machen sich hier bereits bemerkbar. Unter allen
erhaltenen Berichten stimmen nicht zwei miteinander überein. Al-
lein, der ungünstige Eindruck, der so entsteht, wird doch erheblich
gemildert, wenn man sich entschließt, die nachweislich jüngeren
Berichte zunächst einmal samt und sonders beiseitezuschiehen und
ausschließlich der Markusüberlieferung zu folgen, die in allen wei-
teren Evangelien als Quelle verarbeitet und fortentwickelt ist.
46a So G. Kittel, Die Auferstehung Jesu, Deutsche Theol. 4 (1937) 140f. und
A. NiKOLAiNEN, Der Auferstehungsglauben in der Bibel und ihrer Umwelt II: Neu-
testamentlicher Teil (1946) 60f.; vorsichtiger auch Rengstore S. 36. 41.
47 Das ergibt sich aus der Gleichläufigkeit, in der die Auferstehung der Christen
bei ihm zur Auferstehung Jesu erscheint als des „Erstgeborenen unter vielen Brü-
dern“ (Rm. 8, 29).
48 In diesem Sinn kann auf Act. 2, 29 verwiesen werden. Die Bedeutung der
paulinischen Formel wäre dann möglicherweise bereits antidoketisch zu bestim-
men; so Schniewind S. 122: „Kein Scheintod, kein Abschied des άνω Χριστός
vom κάτω Ίησοΰς vor dem Leiden oder im Leiden. Vielmehr die Realität eines wirk-
lichen Sterbens...“
49 Zum folgenden verweise ich ein für alle Mal auf die umfassende motivge-
schichtliche Analyse der Auferstehungsüberlieferung durch Lyder Brun (o. Anm.
13) und die formgeschichtlichen Untersuchungen von M. DlBELlUS, Die Form-
geschichte des Evangeliums (19332), R. Bultmann, Die Geschichte der synopti-
schen Tradition (19312) und Finegan (o. Anm. 13).
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