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Hans Frhr. v. Campenhausen
gründet und hervorgehoben, daß man es keineswegs überhören
kann68. Der Erzähler ist hieran interessiert, er will damit etwas Be-
sonderes sagen; hier meldet sich unverkennbar eine gewisse Ab-
sicht, es erscheint eine auf den ersten Blick einigermaßen rätsel-
hafte Tendenz.
Diese Tendenz kann sich darin nicht erschöpfen, daß sie nur den
„numinosen Schauer“ hervorheben möchte, der von dem leeren
Grab und den Worten des Engels ausging69. Eine so romantisch-
moderne Auslegung der letzten Worte reicht gewiß nicht zu69a. Es
muß hier etwas Konkreteres gemeint sein. Und so hat die kriti-
sche Auslegung zu einer traditionsgeschichtlichen Erklärung ge-
griffen, die zuerst wohl bei Wellhausen auftaucht und seitdem
mit mancherlei Variationen im Grunde doch gleichlautend vorge-
tragen wird. Mit diesem letzten Verse, sagt man, soll das verspä-
tete Auftauchen der Grabesgeschichte gewissermaßen entschuldigt
werden; er soll es verständlich machen, „daß dieser Auferstehungs-
bericht der Frauen erst nachträglich bekannt wurde“70. Das heißt:
hier wird es also deutlich, daß es sich bei der ganzen Überlieferung
vom leeren Grabe um eine späte und nachträgliche Legende han-
delt und daß der Berichterstatter dies selbst noch ahnt oder weiß,
indem er sich vor allen Bedenken gegen seine willkommene, aber
doch überraschende Nachricht im voraus zu decken sucht. Das
Grab war wirklich leer, diese Tatsache ist damit erwiesen, und wenn
sie bisher noch nicht bekannt gewesen ist, so lag dies eben daran,
daß die Frauen geschwiegen haben. Das ist zwar angesichts des
himmlischen Befehls eine reichlich plumpe und störende Auskunft,
und auch sonst ergeben sich für unser Gefühl sofort eine Reihe von
Unstimmigkeiten; aber gerade bei einer apologetischen Ahzweckung
kann man das seltsame Verhalten der Frauen in Kauf nehmen.
68 Das würde auch dann noch in einem freilich abgeschwächten Sinne bestehen
bleiben, wenn man den Vers mit Thiel S. 204f. und E. Hirsch, Frühgeschichte des
Evangeliums (1941) 178 auf zwei Quellen verteilen wollte.
69 So besonders 0. Lindton, Der vermißte Markusschluß, Theol. Bl. 8 (1929)
229 ff.
69a Auch Bruns (S. 11) und Nikola'inens (II 65, 2) Erklärung, es solle auf die
grundlegenden Auferstehungserfa.hrungen der Jünger hingewiesen werden, die so
davor geschützt werden, zu Zeugen zweiter Hand zu werden, erscheint mir etwas
künstlich und weit hergeholt. Ähnlich Riesenfeld (o. Anm. 21) S. 285 f. Anm. 25:
die Verständnislosigkeit und der Unglaube der Frauen würden so stark betont,
,,parce que S. Pierre et les disciples en Galilee doivent et.re le premiers temoins de
la Resurrection“.
70 J. Wellhausen, Das Evangelium Marci (19022) 136.
Hans Frhr. v. Campenhausen
gründet und hervorgehoben, daß man es keineswegs überhören
kann68. Der Erzähler ist hieran interessiert, er will damit etwas Be-
sonderes sagen; hier meldet sich unverkennbar eine gewisse Ab-
sicht, es erscheint eine auf den ersten Blick einigermaßen rätsel-
hafte Tendenz.
Diese Tendenz kann sich darin nicht erschöpfen, daß sie nur den
„numinosen Schauer“ hervorheben möchte, der von dem leeren
Grab und den Worten des Engels ausging69. Eine so romantisch-
moderne Auslegung der letzten Worte reicht gewiß nicht zu69a. Es
muß hier etwas Konkreteres gemeint sein. Und so hat die kriti-
sche Auslegung zu einer traditionsgeschichtlichen Erklärung ge-
griffen, die zuerst wohl bei Wellhausen auftaucht und seitdem
mit mancherlei Variationen im Grunde doch gleichlautend vorge-
tragen wird. Mit diesem letzten Verse, sagt man, soll das verspä-
tete Auftauchen der Grabesgeschichte gewissermaßen entschuldigt
werden; er soll es verständlich machen, „daß dieser Auferstehungs-
bericht der Frauen erst nachträglich bekannt wurde“70. Das heißt:
hier wird es also deutlich, daß es sich bei der ganzen Überlieferung
vom leeren Grabe um eine späte und nachträgliche Legende han-
delt und daß der Berichterstatter dies selbst noch ahnt oder weiß,
indem er sich vor allen Bedenken gegen seine willkommene, aber
doch überraschende Nachricht im voraus zu decken sucht. Das
Grab war wirklich leer, diese Tatsache ist damit erwiesen, und wenn
sie bisher noch nicht bekannt gewesen ist, so lag dies eben daran,
daß die Frauen geschwiegen haben. Das ist zwar angesichts des
himmlischen Befehls eine reichlich plumpe und störende Auskunft,
und auch sonst ergeben sich für unser Gefühl sofort eine Reihe von
Unstimmigkeiten; aber gerade bei einer apologetischen Ahzweckung
kann man das seltsame Verhalten der Frauen in Kauf nehmen.
68 Das würde auch dann noch in einem freilich abgeschwächten Sinne bestehen
bleiben, wenn man den Vers mit Thiel S. 204f. und E. Hirsch, Frühgeschichte des
Evangeliums (1941) 178 auf zwei Quellen verteilen wollte.
69 So besonders 0. Lindton, Der vermißte Markusschluß, Theol. Bl. 8 (1929)
229 ff.
69a Auch Bruns (S. 11) und Nikola'inens (II 65, 2) Erklärung, es solle auf die
grundlegenden Auferstehungserfa.hrungen der Jünger hingewiesen werden, die so
davor geschützt werden, zu Zeugen zweiter Hand zu werden, erscheint mir etwas
künstlich und weit hergeholt. Ähnlich Riesenfeld (o. Anm. 21) S. 285 f. Anm. 25:
die Verständnislosigkeit und der Unglaube der Frauen würden so stark betont,
,,parce que S. Pierre et les disciples en Galilee doivent et.re le premiers temoins de
la Resurrection“.
70 J. Wellhausen, Das Evangelium Marci (19022) 136.