Metadaten

Campenhausen, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1957, 3. Abhandlung): Bearbeitungen und Interpolationen des Polykarpmartyriums — Heidelberg, 1957

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42455#0023
License: In Copyright
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Bearbeitungen und Interpolationen des Polykarpmartyriums 21

3. Längst bemerkt sind eine Reihe von Interpolationen, die im
wesentlichen nur den wunderbaren Charakter von Polykarps Passion
durch entsprechende Hinzufügungen zu heben suchen. So muß die
prophetische Vision Polykarps (M 5,2) ursprünglich als einfaches
Traumgesicht erzählt worden sein45. Eusebios läßt diese Urform
noch erkennen, obschon er sie nicht mehr rein bewahrt hat; aber er
spricht noch von einem nächtlichen Aufwachen Polykarps. Im
Martyrium ist diese Wendung bereits geändert, und es handelt sich
um eine Vision, die Polykarp während des Betens überkommt. Die
letzte Spur des Ursprünglichen scheint aber erst die koptische
Überheferung getilgt zu haben: hier ist für das brennende Kopf-
kissen der Traumvision vielmehr das Gewand Polykarps eingesetzt46.
Eine spätere Hinzufügung ist auch die Himmelsstimme, die
M 9,1 Polykarp beim Eintritt in das Stadion begrüßt. Es genügt
hier auf die im einzelnen z.T. etwas auseinandergehenden, im Er-
gebnis zusammenstimmenden Argumente von Schwartz, Hermann
Müller und Reuhihg zu verweisen. Die zahlreichen Varianten reden
schon als solche eine deutliche Sprache, und auch der Eingang der
Szene καί μη έπιστραφείς, ώς ονδέν πεπον&ώς προϋ'ύμως έπορεύετο —
αγόμενος εις το στάδιον Μ 8,3 ist offenkundig verwirrt. Außerdem
wird jetzt nicht nur der Eingang ins Stadion, sondern auch der
ausbrechende Lärm M 8,3 und 9,1 zweimal berichtet, und ebenso
stößt sich das προσαχ&έντος von 9,1 mit der gleichlautenden Mit-
teilung M 9,2, Man sieht, wie der Text durch den Einschub der
Himmelsstimme auseinandergeschoben und verdoppelt worden ist.
Am bekanntesten ist die Interpolation der aus Polykarps
Todeswunde fliegenden Taube M 16,1; denn Eusebios (und die
syrische Überlieferung47) kennen diese Zutat noch nicht48. Dem-
45 E. Schwartz, De Pionio S. 9.
46 H. Mülleb, Yorl. Verz. S. 44f. Auffallenderweise ist auch diese Erzäh-
lung wie auch der spätere Verweis auf sie HE IV15,28 in der armenischen Über-
setzung der Kirchengeschichte wieder ganz getilgt worden; vgl. o. S. 19 Anm. 39.
47 Vgl. H. Mülleb, Vorl. Verz. S. 17f. gegen Lagaede und Zahn.
48 Die Legende dürfte dem Verfasser der Passio des Philippus v. Heraklea
dagegen wohl schon vor Augen gestanden haben, wenn hier c. 25 der Mär-
tyrer Hermes die Versicherung abgibt, er habe sein Martyrium vorausge-
sehen: nam cum dulci sopore devinctus iacerem, columba mihi visa est et
niveo candore perlucida cubiculum illud ingressa subito in medio capite
consedisse; quae et inde descendens in pectus escam mihi gratissimi cibi offe-
rens, statim cognovi, quod me dominus vocare dignatus est et dignum habuit
passione (Acta SS Od. IX 554).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften