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Schadewaldt, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1959, 2. Abhandlung): Neue Kriterien zur Odyssee-Analyse: die Wiedererkennung des Odysseus und der Penelope — Heidelberg, 1959

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https://doi.org/10.11588/diglit.42460#0015
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Neue Kriterien zur Odyssee-Analyse

13

Vorstellungen in das Gespräch schiebt. Allein, an dieser Stelle — um
mit dem homerischen Sänger zu reden — ,wechsele ich den Pfad‘.
Ich lasse vorläufig Einlage Einlage sein und wende mich der um-
gebenden Dichtung nur als Dichtung zu, um mit dem Mittel der
literarischen Observation zunächst einmal den Charakter der in die-
ser Dichtung waltenden Struktur sichtbar zu machen. Wir gehen
dazu bis zum Beginn des Gesanges zurück.

3.
Der Dichter hat seine Erzählung — mit großer dichterischer
Weisheit — so eingerichtet, daß Penelope während der Bogenprobe
die Halle in dem Augenblick verläßt, wo es darum geht, ob der
Bettler Odysseus den Bogen empfangen soll; sie ist zum oberen
Stockwerk hinaufgestiegen, und Athene hat sie in einen tiefen
Schlaf versenkt (21, 356ff.). Auf diese Weise kommt es dazu, daß
Penelope, während in der Halle der Kampf mit den Freiern durch-
gekämpft wird und die Freier alle zugrunde gehen, ruhig schläft,
ihrer Erlösung, ihrem neuen Glück in ähnlicher Weise wie Odysseus
seiner Heimkehr nach Ithaka (13,89—92) entgegenschläft. Nun sind
die Freier erschlagen, sind die Schuldigen bestraft und die Halle ist
gereinigt, da schickt Odysseus die alte Eurykleia zu Penelope, die
Frau zu holen, und Eurykleia eilt überglücklich ins obere Gemach
hinauf, um Penelope zu wecken.
Diese Weckszene ist nach wenigen einleitenden Versen als ein
vierfach gestuftes Gespräch gestaltet: vier Redepaare, viermal An-
rede der Alten an Penelope und deren Antwort. Mit größter
Formenstrenge ist das Gespräch aus einer einfachen Grundsituation
entwickelt. Die Grundsituation liegt in dem Gegensatz zwischen
der frohen Wahrheitsgewißheit der alten Eurykleia, die ja weiß,
daß Odysseus gekommen ist und die sich bewußt ist, daß sie mit
ihrer Botschaft der Penelope die größte langersehnte Freude bringt,
und, auf Seiten der Penelope, einem Herzen, das so viele Enttäu-
schungen erlitten hat, daß es die langersehnte Wahrheit nicht glau-
ben kann und sich dagegen wehrt. Aus dem Gegeneinander der an-
drängenden Wahrheitsgewißheit und dem Widerstreben gegen die
doch ersehnte Wahrheit entwickelt sich das Gespräch, in dem die
Alte in jeder ihrer Reden immer von neuem vorstößt, immer mehr
Beweise dafür anführt, daß Odysseus wirklich da ist und die Freier
 
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