Neue Kriterien zur Odyssee-Analyse
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dem, was sie von den Freiern zu leiden hatte. In der Erzählung des
Odysseus aber zieht noch einmal in jenem herrlich strukturierten
Resume der Abenteuer (310—341) alles das, was der Mann getan
und gelitten hat, am Auge des Zuhörers vorüber26. Der Bericht, wie
die Phaiaken den Vielumgetriebenen am Ende reich beschenkt nach
Ithaka geleiten, ist das letzte Wort, mit dem Odysseus einschläft
(342/43):
to'Ot’ dpa ÖETJTaTov eijtev eriog, örs oi ykuxrig ürtvog
AucrigeMiS ejtoqo'ugb, Aftcov p,eA,eöf]paTa Hugou.
Hier ist das Einschlafen des Müheseligen mit Worten geschildert,
die mit ihren dunklen Vokalen u und o, mit ihren weichen, klingen-
den Konsonanten d, m, l, r die einlullende Kraft des Schlummers
auch sinnlich onomapoietisch zum Ausdruck bringen.
Der letzte Rest des Gesanges (344—372) gehört als Überleitung
zum vierundzwanzigsten Gesang dem Bearbeiter an, so daß die
originale Dichtung von der ,Heimkehr des Odysseus4, wie ich denke,
mit jenem Einschlafen des Odysseus bei Vers 343 endet.
Um zum Schluß mit einem Blick die ganze originale A-Dich-
tung zu umfassen, so sei zunächst gesagt, daß unsere Funda-
mentalstellen nach der geschilderten Methode darauf führen, daß
die Haupt-Eindichtungen des Bearbeiters außer dem vierundzwan-
zigsten Buche co die folgenden sind:
einmal die sogenannte ,Telemachie‘, die den ursprünglichen
engen Zusammenhang des Götterrates zu Beginn des Ganzen
26 Gegen dieses von Aristoteles (Rhetorik III 16, 417al3) als Muster einer Ana-
kephalaiosis erwähnte Resume hat Wilamowitz, ,Homerische Untersuchungen1,
1884, 68 einst eingewandt, daß es „sklavisch“ von der rekapitulierten Irr-
fahrtenerzählung abhängig sei, während er später, im Heimkehrbuch, von 1925,
den hohen erzählerischen Wert des Resumes erkannte. Ich halte lediglich den
in manchen Handschriften fehlenden Vers 320 für eine Interpolation und die
auf den zweiten, von B stammenden Teil der Nekyia bezogene zweite Hälfte
von 324 xal ecuöe jtdvxag exalpoug für einen B-Einschub, das Übrige aber für
sprachlich unantastbar. Was entscheidend für A spricht, ist der durchaus nicht
gewöhnliche Einfall, den Odysseus noch einmal alle durchlebten Schicksale ver-
gegenwärtigen und dann einschlafen zu lassen. Der Athetese des Aristarch,
der, viel zu abrupt, das ,Ende der Odyssee1 bei dem Gang zur Stätte des alten
Bettes 296 angesetzt hat, haben bereits antike Kritiker widersprochen. Vgl. im
übrigen zur Stelle Von der Mühll 764.
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dem, was sie von den Freiern zu leiden hatte. In der Erzählung des
Odysseus aber zieht noch einmal in jenem herrlich strukturierten
Resume der Abenteuer (310—341) alles das, was der Mann getan
und gelitten hat, am Auge des Zuhörers vorüber26. Der Bericht, wie
die Phaiaken den Vielumgetriebenen am Ende reich beschenkt nach
Ithaka geleiten, ist das letzte Wort, mit dem Odysseus einschläft
(342/43):
to'Ot’ dpa ÖETJTaTov eijtev eriog, örs oi ykuxrig ürtvog
AucrigeMiS ejtoqo'ugb, Aftcov p,eA,eöf]paTa Hugou.
Hier ist das Einschlafen des Müheseligen mit Worten geschildert,
die mit ihren dunklen Vokalen u und o, mit ihren weichen, klingen-
den Konsonanten d, m, l, r die einlullende Kraft des Schlummers
auch sinnlich onomapoietisch zum Ausdruck bringen.
Der letzte Rest des Gesanges (344—372) gehört als Überleitung
zum vierundzwanzigsten Gesang dem Bearbeiter an, so daß die
originale Dichtung von der ,Heimkehr des Odysseus4, wie ich denke,
mit jenem Einschlafen des Odysseus bei Vers 343 endet.
Um zum Schluß mit einem Blick die ganze originale A-Dich-
tung zu umfassen, so sei zunächst gesagt, daß unsere Funda-
mentalstellen nach der geschilderten Methode darauf führen, daß
die Haupt-Eindichtungen des Bearbeiters außer dem vierundzwan-
zigsten Buche co die folgenden sind:
einmal die sogenannte ,Telemachie‘, die den ursprünglichen
engen Zusammenhang des Götterrates zu Beginn des Ganzen
26 Gegen dieses von Aristoteles (Rhetorik III 16, 417al3) als Muster einer Ana-
kephalaiosis erwähnte Resume hat Wilamowitz, ,Homerische Untersuchungen1,
1884, 68 einst eingewandt, daß es „sklavisch“ von der rekapitulierten Irr-
fahrtenerzählung abhängig sei, während er später, im Heimkehrbuch, von 1925,
den hohen erzählerischen Wert des Resumes erkannte. Ich halte lediglich den
in manchen Handschriften fehlenden Vers 320 für eine Interpolation und die
auf den zweiten, von B stammenden Teil der Nekyia bezogene zweite Hälfte
von 324 xal ecuöe jtdvxag exalpoug für einen B-Einschub, das Übrige aber für
sprachlich unantastbar. Was entscheidend für A spricht, ist der durchaus nicht
gewöhnliche Einfall, den Odysseus noch einmal alle durchlebten Schicksale ver-
gegenwärtigen und dann einschlafen zu lassen. Der Athetese des Aristarch,
der, viel zu abrupt, das ,Ende der Odyssee1 bei dem Gang zur Stätte des alten
Bettes 296 angesetzt hat, haben bereits antike Kritiker widersprochen. Vgl. im
übrigen zur Stelle Von der Mühll 764.