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Karl Engisch:
Sätze“ gekennzeichnet, die er dann allerdings zu den Einzeltatsa-
chen in Gegensatz stellt und zwischen diesen und den Rechtssätzen
mitten inne schweben läßt1. Sauer geht noch weiter und zählt die
Erfahrungssätze selbst größtenteils zu den Tatsachen („Soweit die
Erfahrungssätze nicht den Rechtssätzen gleichstehen, fallen sie. in
das Reich der Tatsachen“)2. Lehnt man es ab, Erfahrungssätze als
Tatsachen, als real anzusehen3, so geraten auch menschliche Übun-
gen und Gebräuche, insbesondere die öfters besprochenen Han-
delsbräuche4 außerhalb des Rereichs der Wirklichkeit. Anderer-
seits hat man gerade Sitten und Bräuche als vorzügliche Belege
„geistiger Realitäten“ angesehen5. Damit stehen wir beim „Pro-
blem des geistigen Seins“. Gibt es auch wirkliche geistige
Gegebenheiten? Wissenschaft und Technik, Recht und Moral,
Kunst und Religion bilden geistige Bezirke, die über den Bereich
der psychischen Phänomene hinausragen. „Sie bilden als geistiges
Leben eine Seinsschicht eigener und höherer Art“. N. Hartmann,
der dieser Seinsschicht ein eigenes gründliches Werk gewidmet hat6,
der allerdings auch, wie wir schon wissen, zwischen Realität und
Wirklichkeit unterscheidet, aber dabei doch mit seinem Begriffe der
„Realwirklichkeit“ unseren Begriffen von Realität, Wirklichkeit,
Tatsächlichkeit nahekommen dürfte7, schreibt solche Realität nicht
nur dem personalen „Einzelgeist“, sondern auch dem gleich jenem
„lebendigen“ überpersönlichen und geschichtsmächtigen „objekti-
1 Vgl. dazu Wehli, Beiträge zur Analyse der Urteilsfindung, Wach-
Festschrift I, 1913, S. 413/14; Mannheim, a.a.O., S. 71/72; Manigk, a. a. O.,
S. 143; Schwinge, Grundlagen des Revisionsrechts, 1935, S. 181.
2 a.a.O., S. 66ff.
3 Vgl. etwa Mezger, a.a.O., S. 41ff. („Alle Erfahrungssätze enthalten,
neben ihrem Niederschlag aus früheren Erfahrungen Phantasievorstellungen“
ein wesentlicher Bestandteil der Erfahrungssätze ist „die für künftige noch
nicht beobachtete Fälle ausgesprochene Erwartung“, S. 43, 44); Mannheim,
a.a.O., S. 71/72; Manigk, a.a.O., S. 143 (Die Erfahrungssätze sind nicht Tat-
sachen, sondern „von den Normen der Rechtssätze selbst entweder ausdrück-
lich oder stillschweigend als für die Subsumtion maßgebend bezeichnet und
dadurch Normenbestandteile“); Schwinge, a.a.O., S. 181ff.
4 Zu ihnen: Stein, a.a.O., S. 22ff.; Manigk, a.a.O., S. 142.
5 Ein schlagendes Beispiel: das Reichsgericht spricht in EntschSt. 67,
S. 374 ganz unbefangen von der „Tatsache, daß die Taufe in den christlichen
Kirchen als Sakrament besondere Ehrfurcht genießt“.
6 Das Problem des geistigen Seins, 1933. Die eben zitierte Kennzeich-
nung daselbst S. 14.
7 Für das Folgende hat es nichts auf sich, wenn wir Hartmanns „Rea-
lität“ nur im Sinne der Realwirklichkeit verstehen.
Karl Engisch:
Sätze“ gekennzeichnet, die er dann allerdings zu den Einzeltatsa-
chen in Gegensatz stellt und zwischen diesen und den Rechtssätzen
mitten inne schweben läßt1. Sauer geht noch weiter und zählt die
Erfahrungssätze selbst größtenteils zu den Tatsachen („Soweit die
Erfahrungssätze nicht den Rechtssätzen gleichstehen, fallen sie. in
das Reich der Tatsachen“)2. Lehnt man es ab, Erfahrungssätze als
Tatsachen, als real anzusehen3, so geraten auch menschliche Übun-
gen und Gebräuche, insbesondere die öfters besprochenen Han-
delsbräuche4 außerhalb des Rereichs der Wirklichkeit. Anderer-
seits hat man gerade Sitten und Bräuche als vorzügliche Belege
„geistiger Realitäten“ angesehen5. Damit stehen wir beim „Pro-
blem des geistigen Seins“. Gibt es auch wirkliche geistige
Gegebenheiten? Wissenschaft und Technik, Recht und Moral,
Kunst und Religion bilden geistige Bezirke, die über den Bereich
der psychischen Phänomene hinausragen. „Sie bilden als geistiges
Leben eine Seinsschicht eigener und höherer Art“. N. Hartmann,
der dieser Seinsschicht ein eigenes gründliches Werk gewidmet hat6,
der allerdings auch, wie wir schon wissen, zwischen Realität und
Wirklichkeit unterscheidet, aber dabei doch mit seinem Begriffe der
„Realwirklichkeit“ unseren Begriffen von Realität, Wirklichkeit,
Tatsächlichkeit nahekommen dürfte7, schreibt solche Realität nicht
nur dem personalen „Einzelgeist“, sondern auch dem gleich jenem
„lebendigen“ überpersönlichen und geschichtsmächtigen „objekti-
1 Vgl. dazu Wehli, Beiträge zur Analyse der Urteilsfindung, Wach-
Festschrift I, 1913, S. 413/14; Mannheim, a.a.O., S. 71/72; Manigk, a. a. O.,
S. 143; Schwinge, Grundlagen des Revisionsrechts, 1935, S. 181.
2 a.a.O., S. 66ff.
3 Vgl. etwa Mezger, a.a.O., S. 41ff. („Alle Erfahrungssätze enthalten,
neben ihrem Niederschlag aus früheren Erfahrungen Phantasievorstellungen“
ein wesentlicher Bestandteil der Erfahrungssätze ist „die für künftige noch
nicht beobachtete Fälle ausgesprochene Erwartung“, S. 43, 44); Mannheim,
a.a.O., S. 71/72; Manigk, a.a.O., S. 143 (Die Erfahrungssätze sind nicht Tat-
sachen, sondern „von den Normen der Rechtssätze selbst entweder ausdrück-
lich oder stillschweigend als für die Subsumtion maßgebend bezeichnet und
dadurch Normenbestandteile“); Schwinge, a.a.O., S. 181ff.
4 Zu ihnen: Stein, a.a.O., S. 22ff.; Manigk, a.a.O., S. 142.
5 Ein schlagendes Beispiel: das Reichsgericht spricht in EntschSt. 67,
S. 374 ganz unbefangen von der „Tatsache, daß die Taufe in den christlichen
Kirchen als Sakrament besondere Ehrfurcht genießt“.
6 Das Problem des geistigen Seins, 1933. Die eben zitierte Kennzeich-
nung daselbst S. 14.
7 Für das Folgende hat es nichts auf sich, wenn wir Hartmanns „Rea-
lität“ nur im Sinne der Realwirklichkeit verstehen.