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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1960, 1. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung — Heidelberg, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.42461#0088
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Karl Engisch:

chen hat, beschafft, er hat bei dem Zusammensein mit dem Opfer
in der Wirtschaft ungewollt die Aufmerksamkeit eines Dritten auf
die gefüllte Brieftasche seines Bekannten gelenkt und dadurch den
Plan zu einem Baubmord aufkeimen lassen usw. Das Zusammen-
treffen aber solcher Indizien, die sich aus der Tat leicht erklären las-
sen, in ganz zufälliger Weise ist sehr unwahrscheinlich, und der Rich-
ter wird daher „sehr ungläubig die künstlichen Bemühungen des
Verdächtigen anhören, der jedes Stück dieses Tatbestandes aus
einer besonderen unschuldigen Ursache, die Gesamtheit derselben
aus dem unglücklichen Zusammentreffen so vieler Zufälle zu erklä-
ren sucht“ (Lotze)1. Auch hier handelt es sich offenbar um die Si-
cherstellung des erheblichen Sachverhalts als alleiniger Ursache bezw.
Wirkung der Indizien durch Ausschaltung anderer Möglichkeiten,
die jetzt nur nicht jede für sich genommen, sondern in ihrer Kom-
bination höchst unwahrscheinlich sind. Man stelle sich in unserem
Falle nur noch vor, daß die Mordwaffe bei der Leiche gelegen und
daß sich an ihr Fingerspuren vom Beschuldigten gefunden haben.
Wollte hierfür der Beschuldigte eine neue Ausflucht finden (etwa
daß die Waffe dem Ermordeten selbst gehöre und daß dieser sie ihm
im Gasthaus gezeigt und in die Hand gegeben habe), so würde sich
die Unwahrscheinlichkeit der Kombination der Indizien aufs höch-
ste steigern.
Da sich freilich auf diese oder jene Weise andere Möglichkei-
ten häufig nur als unwahrscheinlich beiseite schieben lassen, wird
auch der Indizienbeweis ebenso häufig nur ein Wahrscheinlichkeits-
beweis sein. Es kann aber in so hohem Grade wahrscheinlich sein,
daß sich die Indizien aus dem angenommenen Sachverhalt erklären,
daß diese Wahrscheinlichkeit praktisch eine Gewißheit bedeutet,
um nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung den Sachver-
halt als festgestellt anzunehmen2. Doch gibt es auch Fälle, wo der
Indizienbeweis absolute Gewißheit verbürgt, vor allem dann, wenn
er wie beim Alibibeweis ein negatives Ergebnis zeitigt. Ist durch
viele Zeugen einwandfrei bewiesen, daß der Angeklagte zur Zeit, zu
der er am Tatort hätte anwesend sein müssen, viele Stunden und
1 Fast ebenso Sigwart, a.a.O., S. 622. Siehe ferner Glaser, S. 744, 746.
2 Vgl. Moser, a.a.O., S. 39ff. Rumpf, S. 191, meint, daß, indem „die
errungene Überzeugung von der Richtigkeit der Darstellung gewisser Vor-
gänge zugleich den fernliegenden Zweifel an der Richtigkeit der als wahr hin-
genommenen Darstellung resolut abschneidet“, „bewußt oder unbewußt eine
Willensentscheidung“ vorliegt. In der gleichen Richtung Mezger, S. 159ff.
Lehrreich auch die bei Rumpf zitierte Entsch. RGZiv. 15, S. 339.
 
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