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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1960, 1. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung — Heidelberg, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.42461#0089
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Logische Studien zur Gesetzesanwendung

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Tage entfernt war, so ist damit sichergestellt, daß er nicht selbst der
Täter gewesen sein kann und somit freigesprochen werden muß1.
Hier stoßen wir auch auf Grundlagen des Schlusses, die keine ge-
wöhnlichen Erfahrungssätze sind, sondern apriorischen Charakter
haben. Sie bedürfen noch besonderer Erwähnung, nachdem bisher
nur von solchen Indizien die Rede war, die im Kausalzusammen-
hang mit dem zu beweisenden Sachverhalt stehen. Zwar sind diese
letzteren Indizien die wichtigsten und häufigsten, aber doch nicht
die einzigen. Denn gerade ein Satz wie der, daß jemand, der sich
am Orte 0 1 befindet, nicht zu gleicher Zeit am weit entfernten Orte
0 2 bestimmte Hantierungen vorgenommen haben kann, ist nicht
nur der Niederschlag von Erfahrungen, sondern a priori gültig2.
Apriorische Schlüsse können sich dann auch auf mathematische
Berechnungen — in Verbindung mit Erfahrungsgrundlagen — stüt-
zen3. Schließlich darf auch an dieser Stelle noch einmal daran er-
innert werden, daß die von den Kausalbeziehungen evtl, zu unter-
scheidenden Zeichen- und Ausdrucksbeziehungen natürlich auch
für den eigentlichen Indizienbeweis von Bedeutung werden können
und falls es sich bei ihnen um Beziehungen eigener Art handelt,
auch eine eigentümliche Art von Indizienschlüssen begründen.
Doch kommt es uns nicht darauf an, alle Möglichkeiten und
Unterfälle des Indizienbeweises aufzuzählen und zu erörtern. Wir
interessieren uns nur für seine grundsätzliche logische Struktur. In
dieser Beziehung kann nun abschließend folgendes gesagt werden:
Der Indizienbeweis jeder Gestalt — also nicht nur der im engeren,
sondern auch der im weiteren Sinne — schließt von letztlich durch
Eigenwahrnehmung festgestellten, an sich nicht rechtserheblichen
Tatsachen auf das Vorliegen (oder auch Nichtvorliegen) eines rele-
vanten Sachverhalts, indem er auf der Grundlage von Erfahrungs-
sätzen (im weitesten Sinne) den Sachverhalt als die praktisch allein
mögliche Erklärung der Indizien ansieht. Dabei verschlingen sich
zwei logische Strukturen miteinander. Auf der einen Seite wird auf
der Grundlage des allgemeinen Erfahrungssatzes, daß mit X ein Y
verbunden zu sein pflegt (also: „wenn X, so Y“) nach dem Muster
1 Insofern es sich um die Feststellung der Voraussetzungen einer Ent-
schädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft handelt, kann man
dann auch nicht bloß von einer Zerstörung des Indizienbeweises, sondern von
einem gelungenen positiven Indizienbeweis sprechen.
2 Siehe hierzu auch Stein, Privates Wissen, S. 34/35; Bierling, a.a.O.,
S. 118/19; Rumpf, S. 98f.
3 Vgl. auch N. Hartmann, Grundlegung zur Ontologie, S. 104 Ziff. 5.
 
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