Logische Studien zur Gesetzesanwendung
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penstoßes“ nicht weiter. Häufig sind es wieder Wertbegriffe, bei
denen sich die Unauflöslichkeit von Tatsachenfeststellung und Sub-
sumtion ergibt, wie gerade beim Begriff „Mißhandlung“. Aber
doch nicht immer, wie das folgende Beispiel zeigt. Wenn in einem
gesetzlichen Tatbestand der Begriff „rot“ oder „blau“ oder „gelb“
vorkommt, so läßt sich schwerlich der betreffende Begriff für die
juristische Praxis durch präzise Tatsachenbegriffe (etwa durch An-
gabe bestimmter Wellenlängen) ersetzen1. Wenn dann die Frage
zu entscheiden ist, ob z. B. ein vorgelegtes orangeartiges Fahnen-
tuch „rot“ ist, so treten Tatsachenfeststellung und Subsumtion des-
halb nicht klar auseinander, weil in der Frage, ob das Tuch so rot
ist, wie es das Gesetz meint, Existenzialurteil und Gleichsetzung
unauflöslich verknüpft sind. Ob jemand, der Brandwunden im Ge-
sicht erlitten hat, hierdurch i. S. des § 224 StGB, „in erheblicher
Weise dauernd entstellt ist“, das ist eine Frage, bei deren Beant-
wortung die Zuhilfenahme einer tatsächlichen Beschreibung nicht
viel hilft, wo vielmehr die Feststellung des Aussehens als eines der-
maßen entstellenden sich unter Vergleichen mit anderen vom Ge-
setz zweifelsfrei gemeinten Fällen vollziehen muß. Ob ein bestimm-
tes Geräusch, wie das Bellen eines Hundes oder das Spielen auf
einem Musikinstrument, ruhestörender Lärm ist, ist zugleich An-
gelegenheit der Tatsachenfeststellung und der Subsumtion. Nicht
nur, daß in solchen Fällen Faktoren persönlicher Wertung das Ur-
teil mitbestimmen2, ist entscheidend, sondern daß hier ohne die
Möglichkeit des Ausweichens in präzise tatsächliche Begriffe die
Feststellung des Soseins eines bestimmten Zustandes oder Vor-
ganges in einer Weise die Wahrnehmungen oder die auf Grund
von Aussagen und sonstigen Indizien gewonnenen Vorstellungen
1 Manchmal allerdings bringt der Gesetzgeber oder eine vom ihm be-
stimmte Stelle Muster heraus, die den gesetzlichen Vorschriften entsprechen
und als Vorbild und Maßstab dienen sollen. Diese Muster erleichtern denn na-
türlich die Subsumtion und ihre Abtrennung von der Tatfrage.
2 Genau genommen kann man hier übrigens noch einen Unterschied ma-
chen: Zuweilen wird schon die Auslegung des Gesetzes, d. h. also die Ermitte-
lung der von diesem gemeinten Fälle beeinflußt von der subjektiven Einstellung
und Wertung. Für ein „Nervenbündel“ fängt der ruhestörende Lärm schon
ganz woanders an als für einen robusten Menschen mit gesundem Schlaf. Für
einen Künstler ist jemand viel eher „in erheblicher Weise entstellt“ als für
einen ästhetisch Anspruchslosen. Aber auch wenn man sich über das Ausgangs-
material einig ist, kann dann die Frage, wieweit der vorliegende Fall den Aus-
gangsfällen gleichzuwerten ist, von der persönlichen Empfindlichkeit und Ein-
stellung beeinflußt sein.
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penstoßes“ nicht weiter. Häufig sind es wieder Wertbegriffe, bei
denen sich die Unauflöslichkeit von Tatsachenfeststellung und Sub-
sumtion ergibt, wie gerade beim Begriff „Mißhandlung“. Aber
doch nicht immer, wie das folgende Beispiel zeigt. Wenn in einem
gesetzlichen Tatbestand der Begriff „rot“ oder „blau“ oder „gelb“
vorkommt, so läßt sich schwerlich der betreffende Begriff für die
juristische Praxis durch präzise Tatsachenbegriffe (etwa durch An-
gabe bestimmter Wellenlängen) ersetzen1. Wenn dann die Frage
zu entscheiden ist, ob z. B. ein vorgelegtes orangeartiges Fahnen-
tuch „rot“ ist, so treten Tatsachenfeststellung und Subsumtion des-
halb nicht klar auseinander, weil in der Frage, ob das Tuch so rot
ist, wie es das Gesetz meint, Existenzialurteil und Gleichsetzung
unauflöslich verknüpft sind. Ob jemand, der Brandwunden im Ge-
sicht erlitten hat, hierdurch i. S. des § 224 StGB, „in erheblicher
Weise dauernd entstellt ist“, das ist eine Frage, bei deren Beant-
wortung die Zuhilfenahme einer tatsächlichen Beschreibung nicht
viel hilft, wo vielmehr die Feststellung des Aussehens als eines der-
maßen entstellenden sich unter Vergleichen mit anderen vom Ge-
setz zweifelsfrei gemeinten Fällen vollziehen muß. Ob ein bestimm-
tes Geräusch, wie das Bellen eines Hundes oder das Spielen auf
einem Musikinstrument, ruhestörender Lärm ist, ist zugleich An-
gelegenheit der Tatsachenfeststellung und der Subsumtion. Nicht
nur, daß in solchen Fällen Faktoren persönlicher Wertung das Ur-
teil mitbestimmen2, ist entscheidend, sondern daß hier ohne die
Möglichkeit des Ausweichens in präzise tatsächliche Begriffe die
Feststellung des Soseins eines bestimmten Zustandes oder Vor-
ganges in einer Weise die Wahrnehmungen oder die auf Grund
von Aussagen und sonstigen Indizien gewonnenen Vorstellungen
1 Manchmal allerdings bringt der Gesetzgeber oder eine vom ihm be-
stimmte Stelle Muster heraus, die den gesetzlichen Vorschriften entsprechen
und als Vorbild und Maßstab dienen sollen. Diese Muster erleichtern denn na-
türlich die Subsumtion und ihre Abtrennung von der Tatfrage.
2 Genau genommen kann man hier übrigens noch einen Unterschied ma-
chen: Zuweilen wird schon die Auslegung des Gesetzes, d. h. also die Ermitte-
lung der von diesem gemeinten Fälle beeinflußt von der subjektiven Einstellung
und Wertung. Für ein „Nervenbündel“ fängt der ruhestörende Lärm schon
ganz woanders an als für einen robusten Menschen mit gesundem Schlaf. Für
einen Künstler ist jemand viel eher „in erheblicher Weise entstellt“ als für
einen ästhetisch Anspruchslosen. Aber auch wenn man sich über das Ausgangs-
material einig ist, kann dann die Frage, wieweit der vorliegende Fall den Aus-
gangsfällen gleichzuwerten ist, von der persönlichen Empfindlichkeit und Ein-
stellung beeinflußt sein.