Logische Studien zur Gesetzesanwendung
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derartigen Umständen so oder so deutet“ (Strafprozeßrecht, S. 414
Anm. 2). Viele Schriftsteller widersprechen aber einer solchen These.
Allgemein zustimmen wird man nur der Behauptung Belings, daß
die Klärung des Begriffs „Beleidigung“ und daher auch der Frage,
ob eine konkrete Äußerung mit dem und dem festgestellten Sinn
eine „Beleidigung“ oder eine „Beschimpfung“ darstelle, eine Rechts-
bzw. Subsumtionsangelegenheit ist. Dagegen stößt man nun oft
auf die Meinung, daß auch die Auslegung einer Äußerung keine Tat-
sachenfeststellung bedeute, sondern Rechtsfrage sei. Dabei räumt
Mannheim1 wenigstens ein, daß falls die Auslegung die Ermitte-
lung des vom Äußernden gemeinten „subjektiven Sinnes“ zum Ziel
hätte, die Auslegung Tatsachenfeststellung wäre. Er gibt weiter zu,
daß die Auslegung jedenfalls nicht Subsumtion ist, sondern dieser
„logisch und zeitlich vorangeht“. Aber er vertritt die Auffassung,
daß die Auslegung auf einen objektiven Sinn gerichtet, dieserhalb
wertender Natur sei und somit — wenn auch nicht Subsumtion
selbst — so doch „Tatsachenbewertung wie die Subsumtion“ sei.
Weiter geht Manigk2. Obwohl er in der Rechtsgeschäftslehre in
erster Linie der „Willenstheorie“ folgt3, d. h. der Theorie, wonach
„der rechtlich erhebliche Sinn einer Erklärung maßgebend davon
bestimmt wird, was der Erklärende wirklich gewollt und wie er
sie verstanden hat“4, erachtet er doch die Auslegung der Erklä-
rung nicht lediglich für eine Sache der Beweiswürdigung, sondern
weitgehend für eine Wertung und also — wegen der beliebten Iden-
tifizierung von Wertungs- und Rechtsfrage — für eine „Rechts-
frage“. Denn es muß ja immer auch geprüft werden, ob der wirk-
liche Wille in der Erklärung seinen Ausdruck gefunden hat, und
eben dies ist Aufgabe der Auslegung und stempelt diese zugleich
zur Wertung5. „Die Frage: Ist der Wille im vorliegenden Falle
unter Berücksichtigung aller dem Gegner zugänglichen Umstände
in der Erklärung kundgetan ? ... ist niemals eine Tatfrage. Sie
ist nur durch ein Werturteil zu erschließen, das oft erst auf Grund
tieferen Eingehens auf Erfahrungssätze und andererseits individu-
elle Gewohnheiten der Parteien möglich ist.“ Durch Anwendung
unzutreffender Hilfssätze aus dem Bereich der Erfahrung und der
1 a.a.O. S. 75ff. Vgl. auch schon Wehli, a.a.O., S. 421/22.
2 Reichsgerichts-Festgabe VI, 1929, S. 94ff.
3 a.a.O. S. 146ff.
4 a.a.O. S. 148.
5 Ebenso schon Mezger a.a.O. S. 179.
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derartigen Umständen so oder so deutet“ (Strafprozeßrecht, S. 414
Anm. 2). Viele Schriftsteller widersprechen aber einer solchen These.
Allgemein zustimmen wird man nur der Behauptung Belings, daß
die Klärung des Begriffs „Beleidigung“ und daher auch der Frage,
ob eine konkrete Äußerung mit dem und dem festgestellten Sinn
eine „Beleidigung“ oder eine „Beschimpfung“ darstelle, eine Rechts-
bzw. Subsumtionsangelegenheit ist. Dagegen stößt man nun oft
auf die Meinung, daß auch die Auslegung einer Äußerung keine Tat-
sachenfeststellung bedeute, sondern Rechtsfrage sei. Dabei räumt
Mannheim1 wenigstens ein, daß falls die Auslegung die Ermitte-
lung des vom Äußernden gemeinten „subjektiven Sinnes“ zum Ziel
hätte, die Auslegung Tatsachenfeststellung wäre. Er gibt weiter zu,
daß die Auslegung jedenfalls nicht Subsumtion ist, sondern dieser
„logisch und zeitlich vorangeht“. Aber er vertritt die Auffassung,
daß die Auslegung auf einen objektiven Sinn gerichtet, dieserhalb
wertender Natur sei und somit — wenn auch nicht Subsumtion
selbst — so doch „Tatsachenbewertung wie die Subsumtion“ sei.
Weiter geht Manigk2. Obwohl er in der Rechtsgeschäftslehre in
erster Linie der „Willenstheorie“ folgt3, d. h. der Theorie, wonach
„der rechtlich erhebliche Sinn einer Erklärung maßgebend davon
bestimmt wird, was der Erklärende wirklich gewollt und wie er
sie verstanden hat“4, erachtet er doch die Auslegung der Erklä-
rung nicht lediglich für eine Sache der Beweiswürdigung, sondern
weitgehend für eine Wertung und also — wegen der beliebten Iden-
tifizierung von Wertungs- und Rechtsfrage — für eine „Rechts-
frage“. Denn es muß ja immer auch geprüft werden, ob der wirk-
liche Wille in der Erklärung seinen Ausdruck gefunden hat, und
eben dies ist Aufgabe der Auslegung und stempelt diese zugleich
zur Wertung5. „Die Frage: Ist der Wille im vorliegenden Falle
unter Berücksichtigung aller dem Gegner zugänglichen Umstände
in der Erklärung kundgetan ? ... ist niemals eine Tatfrage. Sie
ist nur durch ein Werturteil zu erschließen, das oft erst auf Grund
tieferen Eingehens auf Erfahrungssätze und andererseits individu-
elle Gewohnheiten der Parteien möglich ist.“ Durch Anwendung
unzutreffender Hilfssätze aus dem Bereich der Erfahrung und der
1 a.a.O. S. 75ff. Vgl. auch schon Wehli, a.a.O., S. 421/22.
2 Reichsgerichts-Festgabe VI, 1929, S. 94ff.
3 a.a.O. S. 146ff.
4 a.a.O. S. 148.
5 Ebenso schon Mezger a.a.O. S. 179.