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Nikolaus [Hrsg.]; Hürten, Heinz [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1960, 2. Abhandlung): Brixener Dokumente , 5: Akten zur Reform des Bistums Brixen — Heidelberg, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.42462#0049
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Erläuterungen zu Nr. I

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nense von 160916 hat diese Entwicklung noch weitergeführt, hier ist das
erste (eingeschobene) Gebet ausschließlich dem Bräutigam gewidmet, so
daß hier an der Stelle des Brautsegens eine „Oratio super sponsum“ und
eine „Oratio super sponsam“ stehen. Der Brautsegen weicht auch an ande-
ren Stellen von der Fassung des Gregorianums ab. So heißt es bei L und M
übereinstimmend: „maritali coniuncta (statt: iungenda) consorcio“ — wohl
eine Reminiszenz an die Zeit, da der Brautsegen erst nach der Hochzeit
eingeholt wurde.17 Auch die L und M gemeinsame Lesart „numquam
liceret (statt: licere) disiungi“ weicht von der Fassung des Gregorianums
ab; sie ist aber im Mittelalter bei weitem häufiger als das ursprüngliche
licere.18 Dem Schreiber L lag offenbar die Lesart „viri thoro iuncta“ vor,
die auch das Obsequiale hat. Er hat sie dann nachträglich in das sinnvollere
und ursprüngliche „uni thoro“ verbessert.
Da im Sacramentarium Gregorianum der Segen ausschließlich auf die
Braut bezogen war, standen dort alle Segensformeln im Singular: „ad
beatorum requiem atque caelestia regna perveniat et videat filios filiorum
suorum usque in tertiam et quartam generationem et ad optatam perveniat
senectutem“. Auch das Rituale Heinrichs L, die Konstanzer Formulare, die
überwältigende Mehrheit der von Freisen und die von Martene veröffent-
lichten Ordines bleiben beim Singular,19 den auch das Brixener Obsequiale
von ca. 1494 wieder hat. Bei unserem Stück macht sich jedoch ein gewisses
Schwanken bemerkbar, weil man auch den Bräutigam in den feierlichen
Segen einbeziehen wollte. Beide Schreiber bleiben mit dem ersten „perve-
niat“ im Singular, setzen dann aber vor „videat“ ein „una“, was den Plural
erfordert, zu dem sich aber nur L entschließen kann, erst beim nächsten
„perveniat“ folgt ihm M. Das Missale Romanum ist dieser Entwicklung, die
den Bräutigam nicht leer ausgehen lassen wollte, gefolgt. Das erste „per-
veniat“ ist geblieben, aber dann heißt es „videant ambo“ und „perveniant“.
Der Ritus, den der Kardinal mit diesem Erlaß in Brixen einführte, zeigt
eine erstaunliche Mischung überkommener und moderner, römischer und
außerrömischer Elemente. Die Trauung findet noch vor der Kirche statt,

16 Sacerdotale Brixinense, continens modum administrandi sacramenta, exse-
quias defunctorum, diversas item benedictiones sacerdotales, per totum annum ad
ritum Romanum et usum dioecesis Brixinensis accomodatum . . . Authoritate et
iussu ili. Christophori Andreae, episcopi Brixinensis reformatum atque in lucem
editum. Oeniponti 1609. Hier: S. 223—241.
17 Vgl. die Bestimmung der Salzburger Diözesansynode von 1420: „Matrimonia
quoque, quae benedicenda fuerint, non post, ut moris existit, sed ante ipsorum
carnalem consummationem ac solemnitatis nuptiarum celebrationem.. . bene-
dicantur.“ Hartzheim V, 190.
18 Franz S. 23, Dold S. 102, Freisen I, 103, II, 197, 219, 231, 246, 251. Mar-
tene II, 130 (Ord. IV).
19 Freisen II, 197, 219, 231, 246, Dold S. 102. Martene II, 129 f. (Ord. III u. IV).
 
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