48 H. Hürten, Cusanus-Texte V. Brixener Dokumente • Erste Sammlung
obwohl die Tendenz zu ihrer Verlegung vor den Altar anderenorts bereits
wirksam geworden war. 1420 hatte die Erzdiözese Salzburg die Trauung
„in ecclesia“ als Normalfall vorgeschrieben;20 auch Johannes Gerson hielt
die Trauung in der Kirche für angemessen. Andrerseits weist unser Stück
in der Vorschrift für das Konsensgespräch, das in den deutschen Ritu-
alien des 15. Jahrhunderts nur „vereinzelt“ zu finden ist,21 die Wege der
künftigen allgemeinen Entwicklung. Das Fehlen des Ringsegens scheint
engen Anschluß an römische Vorbilder anzudeuten, während die Auswei-
tung des Brautsegens und seine Herauslösung aus der Messe der außer-
römischen Entwicklung entspricht. In der Diözese Eichstätt, deren etwa
gleichzeitige Reform unter Bischof Johann von Eich in Brixen wohl be-
achtet worden ist, war 1455 wie auch in anderen deutschen Diözesen die
Segnung der Braut an die auch dort noch vor der Kirche stattfindende
Trauung angeschlossen worden, damit die Braut des Segens nicht verlustig
ging, wenn nach der Eheschließung keine Messe zelebriert wurde.22 Hier
ist der Kardinal bei der alten Praxis geblieben.
Wie sehr dem Kardinal daran lag, den neuen Ritus einzuführen, zeigt
sich in den bereits erwähnten Ablässen für das Brautpaar und die Teil-
nehmer an der Trauung. In der damit verknüpften Bedingung, am Hoch-
zeitstage nicht zu tanzen, wird der unerbittliche Kampf sichtbar, den Niko-
laus in seiner Diözese gegen das Tanzen geführt und der wohl auch das
Seine dazu beigetragen hat, ihm die Herzen seiner Diözesanen zu ent-
fremden.23
II
Die Verfügung des Kardinals über die kirchliche Zehntpflicht und die
entsprechende Ermahnung des Volkes besteht fast ausschließlich aus einer
Aneinanderreihung von Zitaten der Kirchenväter Hieronymus und Augu-
stin. Nikolaus hat diese Stellen offensichtlich nicht bei der Lektüre der
Väter gefunden, sondern im Kirchenrecht. Die Hälfte des Textes ist im De-
20 Hartzheim V, 190
21 Binder S. 7. Auch das viel benutzte Elandbuch des Zeitgenossen Aurbach ist
nicht eindeutig in der Frage, ob mündliche Konsenserklärungen erforderlich sind:
„Sed quicquid dicatur, in matrimonio non est tradita certa forma verborum, sed
sufficiunt qualitercumque ex quibus matrimonialis resultat consensus; non enim
refert, quod ex equipollentibus fiat“ (f. 49v).
22 Büchner, Past.-Bl, 51. Jg. 1904 S. 96. Vgl. Binder S. 63.
23 Sinnacher VI, 459 und Albert Jäger, Regesten und urkundliche Daten über
das Verhältnis des Cardinais Nicolaus von Cues als Bischof von Brixen zum Her-
zoge Sigismund von Österreich, in: Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen.
I Bd. 2. Heft Wien 1858 S. 305 Nr. 75.
obwohl die Tendenz zu ihrer Verlegung vor den Altar anderenorts bereits
wirksam geworden war. 1420 hatte die Erzdiözese Salzburg die Trauung
„in ecclesia“ als Normalfall vorgeschrieben;20 auch Johannes Gerson hielt
die Trauung in der Kirche für angemessen. Andrerseits weist unser Stück
in der Vorschrift für das Konsensgespräch, das in den deutschen Ritu-
alien des 15. Jahrhunderts nur „vereinzelt“ zu finden ist,21 die Wege der
künftigen allgemeinen Entwicklung. Das Fehlen des Ringsegens scheint
engen Anschluß an römische Vorbilder anzudeuten, während die Auswei-
tung des Brautsegens und seine Herauslösung aus der Messe der außer-
römischen Entwicklung entspricht. In der Diözese Eichstätt, deren etwa
gleichzeitige Reform unter Bischof Johann von Eich in Brixen wohl be-
achtet worden ist, war 1455 wie auch in anderen deutschen Diözesen die
Segnung der Braut an die auch dort noch vor der Kirche stattfindende
Trauung angeschlossen worden, damit die Braut des Segens nicht verlustig
ging, wenn nach der Eheschließung keine Messe zelebriert wurde.22 Hier
ist der Kardinal bei der alten Praxis geblieben.
Wie sehr dem Kardinal daran lag, den neuen Ritus einzuführen, zeigt
sich in den bereits erwähnten Ablässen für das Brautpaar und die Teil-
nehmer an der Trauung. In der damit verknüpften Bedingung, am Hoch-
zeitstage nicht zu tanzen, wird der unerbittliche Kampf sichtbar, den Niko-
laus in seiner Diözese gegen das Tanzen geführt und der wohl auch das
Seine dazu beigetragen hat, ihm die Herzen seiner Diözesanen zu ent-
fremden.23
II
Die Verfügung des Kardinals über die kirchliche Zehntpflicht und die
entsprechende Ermahnung des Volkes besteht fast ausschließlich aus einer
Aneinanderreihung von Zitaten der Kirchenväter Hieronymus und Augu-
stin. Nikolaus hat diese Stellen offensichtlich nicht bei der Lektüre der
Väter gefunden, sondern im Kirchenrecht. Die Hälfte des Textes ist im De-
20 Hartzheim V, 190
21 Binder S. 7. Auch das viel benutzte Elandbuch des Zeitgenossen Aurbach ist
nicht eindeutig in der Frage, ob mündliche Konsenserklärungen erforderlich sind:
„Sed quicquid dicatur, in matrimonio non est tradita certa forma verborum, sed
sufficiunt qualitercumque ex quibus matrimonialis resultat consensus; non enim
refert, quod ex equipollentibus fiat“ (f. 49v).
22 Büchner, Past.-Bl, 51. Jg. 1904 S. 96. Vgl. Binder S. 63.
23 Sinnacher VI, 459 und Albert Jäger, Regesten und urkundliche Daten über
das Verhältnis des Cardinais Nicolaus von Cues als Bischof von Brixen zum Her-
zoge Sigismund von Österreich, in: Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen.
I Bd. 2. Heft Wien 1858 S. 305 Nr. 75.