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Nikolaus [Hrsg.]; Hürten, Heinz [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1960, 2. Abhandlung): Brixener Dokumente , 5: Akten zur Reform des Bistums Brixen — Heidelberg, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.42462#0055
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Erläuterungen zu Nr. IV

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zogenen Priester und Laien müssen daher am Schlüsse der Befragung von
sich aus angeben, was an Mängeln noch nicht zur Sprache gekommen ist.
Die beteiligten Laien werden in unserem Stück auch nicht als Sendzeugen
betrachtet, sondern als auf Grund ihrer persönlichen Haltung oder ihres
Amtes glaubwürdige Zeugen, die nach dem Ermessen des Visitators frei
berufen werden.
Die Visitationsordnung der Diözese Eichstätt, die am 8. Juli 1452 von
Bischof Johann III. für die Visitation der Landdekane erlassen wurde,
schreibt den gleichen Eid für die Zeugen vor.26 Das Eichstätter Schema ent-
hält überdies zahlreiche Fragen, die in ähnlicher Form sowohl in Nr. IV
wie in Gersons Fragekatalog stehen. Da sich eine Abhängigkeit dieses
Formulars von Gerson nicht erweisen läßt, dürften sich die Übereinstim-
mungen aus der teilweisen Gleichartigkeit der Verhältnisse ergeben. Auf-
fällig sind jedoch die sachlichen Berührungspunkte, die zwischen dem Son-
dergut unseres Textes und der Eichstätter Visitationsordnung bestehen.
Das Eichstätter Schema fragt wie das unsrige nach den Ausweispapieren
der Geistlichkeit (vgl. Fr. 11), der Seelsorge durch Religiösen ohne bischöf-
liche Erlaubnis (vgl. Fr. 28), dem regelmäßigen Breviergebet nach der
Norm des Diözesandirektoriums (vgl. Fr. 63), der Verwahrung der Eucha-
ristie und des Taufwassers (vgl. Fr. 24), der Sorgfalt der Geistlichen bei
der Zelebration (vgl. Fr. 32), der Feier der Anniversarien (vgl. Fr. 61), der
geistlichen Kleidung und Tonsur (vgl. Fr. 3. 4) und der Beobachtung des
Interdikts (vgl. Fr. 14). Schließlich findet sich in der Eichstätter Visitations-
ordnung auch eine Parallele zu der Frage nach denen, die „sub aliqua
specie humilitatis aut sanctitatis“ (Fr. 93) eine neue Sekte einführen wol-
len. Diese Häufung von Übereinstimmungen in unserer Nummer mit dem
knapp gehaltenen Eichstätter Schema läßt sich nicht mit einer in beiden
Bistümern gleichgelagerten Situation erklären. Sie setzt zum mindesten
eine in vielen Punkten gleiche Interessenrichtung voraus. Daß unser Autor
die Eichstätter Fragen bei der Abfassung seiner Visitationsordnung vor-
liegen hatte, ist dagegen nicht anzunehmen. Inhaltlich gleiche Fragen wei-
chen in der Formulierung der beiden Schemata stets voneinander ab.27 Es
ist nicht damit zu rechnen, daß der Verfasser unserer Nummer, der Gersons
Fragekatalog in vielen Punkten wörtlich ausschrieb, hier jede Übernahme
vermieden und seine Entlehnungen immer in eine andere sprachliche Form
26 Franz X. Büchner, Neue Aktenstücke zur Reformtätigkeit des Bischofs Johan-
nes III. von Eich. 2. Beilage, in: Past.-Bl. f. d. Bistum Eichstätt. 56. Jg. 1909 S. 110 ff.
Der gleiche Eid nach „qualiter et quando“ wird in einem für Klöster vorgesehenen
„Modus visitandi brevis“ verlangt, den Clm 1845 f. 196r—206v überliefert.
27 So lautet die Entsprechung zu unserer Fr. 63: „Item si omni die perficiant
debite horas canonicas iuxta breviar. dioec. nostrae“; zu Fr. 32: „qualiter pera-
gant officium divinum in ecclesia cantando et legendo et praedicando; an aliquid
obmittant in his vel circa sacram administrationem“, zu Fr. 61: „item de anniver-
sariis, an debite peragantur“.
 
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