Die große Maecenasode des Horaz
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die Omnipotenz Juppiters scheitert, eine unermeßliche Mächtigkeit und
einen unerhörten Glanz. Damit finden die acht Strophen (5-12), die den
Kern der Ode bilden, einen triumphalen Abschluß.
Die Stellen, wo der Gedanke auftaucht, daß die Allmacht Gottes das
Vergangene nicht zerstören könne, hat Harald Fuchs38 gesammelt. Sie rei-
chen von einem Zitat des Dichters Agathon in der Nikomachischen Ethik
des Aristoteles (6, 2, 1139b 5ff. Agathon fr. 5 Nauck) über Plinius NH
zu dem Christengegner Porphyrios (bei Makarios 4, 24 Blondel = fr. 94
bei Harnack, Porphyrios ,Gegen die Christen‘: Abh. Preuß. Ak. 1916, 1,
lOlff.). Obwohl es dem Horaz, so meint Fuchs, hier nur auf die epiku-
reische Lehre ankomme, daß für den Menschen in der Ungewißheit seines
Lebens das Vergangene der einzig sichere Besitz sei, begründe er diese
Lehre so, wie es keinem Epikureer möglich gewesen wäre. Denn er nehme
das freie Walten eines Herrschergottes an, dessen Allmacht jedoch an der
Vergangenheit ihre Schranken finde. Daraus zieht Fuchs den Schluß, daß
Horaz hier den alten Gedanken treulich wiedergebe, er gibt sogar eine
griechische Rückübersetzung der Strophe 12. Den Ursprung des Gedan-
kens möchte er in der Sophistik suchen. Aber gerade weil es sich hier um
einen Fundamentalsatz der epikureischen Lebensphilosophie handelt, darf
man die Möglichkeit nicht ausschließen, daß auch epikureische Texte exi-
stierten, die den Gedanken samt der Erwähnung der Gottheit übernah-
men. Im übrigen waren die Epikureer in ihrer Ablehnung göttlicher Ak-
tivität nicht ganz so konsequent wie die Darsteller der epikureischen Phi-
losophie, wie man nicht nur aus Lucrez, sondern auch aus Epikur selbst,
z. B. dem Menoikeusbrief, ersehen kann39.
Die acht Kernstrophen, in deren Mitte der Kemsatz steht, sind struk-
turell zu einer festen Einheit zusammengeschmiedet. Zwar scheint es zu-
nächst so, als gehörten die Sternbilder- und Hirtenstrophe noch zum An-
fangsteil, als verliehen sie der Einladung an Maecenas nur größeren Nach-
druck und größere Aktualität. In Wahrheit bilden sie das Scharnier, das
die vier Eingangsstrophen und das Kernstück zusammenhält und den
Übergang verdeckt. Sie leiten die Wende des Gedichtes ein als die un-
entbehrlichen Stufen, die zu den grandiosen Bildern und Offenbarungen
der Mitte hinaufführen, in denen die horazische Erlösungsbotschaft ent-
schiedener als je zuvor in den Odenbüchern vorgetragen wird. Aus der
Einladung an Maecenas wird die Aufforderung, das Leben zu ändern,
aus dem sympotisch-alkäischen Lied eine Anweisung epikureischer Seelen-
führung und Seelentherapie. In der Heilung des Freundes findet die
38 Westöstliche Abhandlungen, Festschr. Tschudi, Wiesbaden 1954, 48ff.
39 Vgl. Wolfg. Schmid, Götter und Menschen in der Theologie Epikurs, Rhein.
Mus. 94, 1951, insbes. 105ff. Über die Beziehung zwischen Göttern und Men-
schen bei den Epikureern auch G. Pfligersdorffer, Cicero über Epikurs Lehre
vom Wesen der Götter, Wiener Stud. 70, 1957.
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die Omnipotenz Juppiters scheitert, eine unermeßliche Mächtigkeit und
einen unerhörten Glanz. Damit finden die acht Strophen (5-12), die den
Kern der Ode bilden, einen triumphalen Abschluß.
Die Stellen, wo der Gedanke auftaucht, daß die Allmacht Gottes das
Vergangene nicht zerstören könne, hat Harald Fuchs38 gesammelt. Sie rei-
chen von einem Zitat des Dichters Agathon in der Nikomachischen Ethik
des Aristoteles (6, 2, 1139b 5ff. Agathon fr. 5 Nauck) über Plinius NH
zu dem Christengegner Porphyrios (bei Makarios 4, 24 Blondel = fr. 94
bei Harnack, Porphyrios ,Gegen die Christen‘: Abh. Preuß. Ak. 1916, 1,
lOlff.). Obwohl es dem Horaz, so meint Fuchs, hier nur auf die epiku-
reische Lehre ankomme, daß für den Menschen in der Ungewißheit seines
Lebens das Vergangene der einzig sichere Besitz sei, begründe er diese
Lehre so, wie es keinem Epikureer möglich gewesen wäre. Denn er nehme
das freie Walten eines Herrschergottes an, dessen Allmacht jedoch an der
Vergangenheit ihre Schranken finde. Daraus zieht Fuchs den Schluß, daß
Horaz hier den alten Gedanken treulich wiedergebe, er gibt sogar eine
griechische Rückübersetzung der Strophe 12. Den Ursprung des Gedan-
kens möchte er in der Sophistik suchen. Aber gerade weil es sich hier um
einen Fundamentalsatz der epikureischen Lebensphilosophie handelt, darf
man die Möglichkeit nicht ausschließen, daß auch epikureische Texte exi-
stierten, die den Gedanken samt der Erwähnung der Gottheit übernah-
men. Im übrigen waren die Epikureer in ihrer Ablehnung göttlicher Ak-
tivität nicht ganz so konsequent wie die Darsteller der epikureischen Phi-
losophie, wie man nicht nur aus Lucrez, sondern auch aus Epikur selbst,
z. B. dem Menoikeusbrief, ersehen kann39.
Die acht Kernstrophen, in deren Mitte der Kemsatz steht, sind struk-
turell zu einer festen Einheit zusammengeschmiedet. Zwar scheint es zu-
nächst so, als gehörten die Sternbilder- und Hirtenstrophe noch zum An-
fangsteil, als verliehen sie der Einladung an Maecenas nur größeren Nach-
druck und größere Aktualität. In Wahrheit bilden sie das Scharnier, das
die vier Eingangsstrophen und das Kernstück zusammenhält und den
Übergang verdeckt. Sie leiten die Wende des Gedichtes ein als die un-
entbehrlichen Stufen, die zu den grandiosen Bildern und Offenbarungen
der Mitte hinaufführen, in denen die horazische Erlösungsbotschaft ent-
schiedener als je zuvor in den Odenbüchern vorgetragen wird. Aus der
Einladung an Maecenas wird die Aufforderung, das Leben zu ändern,
aus dem sympotisch-alkäischen Lied eine Anweisung epikureischer Seelen-
führung und Seelentherapie. In der Heilung des Freundes findet die
38 Westöstliche Abhandlungen, Festschr. Tschudi, Wiesbaden 1954, 48ff.
39 Vgl. Wolfg. Schmid, Götter und Menschen in der Theologie Epikurs, Rhein.
Mus. 94, 1951, insbes. 105ff. Über die Beziehung zwischen Göttern und Men-
schen bei den Epikureern auch G. Pfligersdorffer, Cicero über Epikurs Lehre
vom Wesen der Götter, Wiener Stud. 70, 1957.