Günther Bornkamm
erwartet, als Apostel in Freiheit, sondern als Gefangener - nach Rom
reiste. Die zwischen Anfang und Ende liegende Geschichte von etwa 3-4
Jahren hat einzig in seinen Korintherbriefen ihren Niederschlag gefunden.
Sie soll uns hier näher beschäftigen, und zwar im wesentlichen unter Be-
schränkung auf den Zeitraum nach dem I. Korintherbrief und die Ereig-
nisse, die die nachfolgende Korrespondenz des Paulus mit der Gemeinde
veranlaßt haben.
I.
Am Ende des I. Korintherbriefs, den Paulus drei Jahre nach seinem er-
sten Wirken in Korinth von Ephesus aus wahrscheinlich im Frühjahr 54
n. Chr. schreibt, kündigt er den Besuch seines Mitarbeiters Timotheus an.
Er selbst will später folgen, doch muß er vorerst bis Pfingsten noch in
Ephesus bleiben, da ihn missionarische Aufgaben und Kämpfe festhalten,
und will seinen Weg über die Gemeinden in Mazedonien nehmen, um
dann erst zu einem längeren Aufenthalt, vielleicht den Winter über, bei
ihnen zu verweilen6. Was die Sendung des Timotheus, von der schon I Kor
4, 17 zum ersten Mal die Rede ist, nötig gemacht hat, ist aus dem ganzen
ersten Schreiben deutlich zu ersehen: die Gemeinde ist von Parteien zer-
rissen, findet sich in vielen Fragen des Glaubens und Lebens, der Zucht
und des Gottesdienstes nicht zurecht. Gnostische Schwarmgeister haben die
Oberhand in ihr gewonnen und Lehre und Ansehen des Apostels unter-
graben. In diese bedenklichen Treibereien ist auch ein anderer führender
Prediger der korinthischen Gemeinde, der Alexandriner Apollos, mit hin-
eingezogen, der, wie wir aus I. Korintherbrief und Apostelgeschichte7 wis-
sen, bald nach dem Weggang des Paulus von Ephesus aus nach Korinth
entsandt war und dort gewirkt hat. Unter den Cliquen, die sich unter den
verschiedenen Parolen gebildet haben, - einer Paulus-, Petrus- und Chri-
stuspartei - ist auch eine Apollos-Gruppe8. Doch ist dieser selbst offenbar
an seiner Erhebung zum Parteihaupt nicht unmittelbar schuldig. Er be-
findet sich im Augenblick der Abfassung des I. Korintherbriefs bei Paulus
in Ephesus, wird von Paulus wiederholt ohne jeden Mißton erwähnt und
war sogar von ihm ausersehen, an der Befriedung der Gemeinde zusam-
men mit anderen Abgesandten mitzuwirken, doch hat ihn Paulus vorerst
zur Übernahme dieser Mission nicht bewegen können, sondern stellt nur
sein Kommen zu gelegenerer Zeit in Aussicht9.
6 I Kor 16, 5ff. 7 Act 18, 24ff.
8 I Kor 1, 12. Das vielverhandelte Parteienproblem soll hier unerörtert bleiben.
Die Streichung von έγώ δέ Χριστοί als spätere Glosse (so Joh. Weiss z. St. und
U. Wilckens, Weisheit und Torheit, 1959, S. 17 Anm. 2) kann ich nicht für
richtig halten.
9 I Kor 16, 12.
erwartet, als Apostel in Freiheit, sondern als Gefangener - nach Rom
reiste. Die zwischen Anfang und Ende liegende Geschichte von etwa 3-4
Jahren hat einzig in seinen Korintherbriefen ihren Niederschlag gefunden.
Sie soll uns hier näher beschäftigen, und zwar im wesentlichen unter Be-
schränkung auf den Zeitraum nach dem I. Korintherbrief und die Ereig-
nisse, die die nachfolgende Korrespondenz des Paulus mit der Gemeinde
veranlaßt haben.
I.
Am Ende des I. Korintherbriefs, den Paulus drei Jahre nach seinem er-
sten Wirken in Korinth von Ephesus aus wahrscheinlich im Frühjahr 54
n. Chr. schreibt, kündigt er den Besuch seines Mitarbeiters Timotheus an.
Er selbst will später folgen, doch muß er vorerst bis Pfingsten noch in
Ephesus bleiben, da ihn missionarische Aufgaben und Kämpfe festhalten,
und will seinen Weg über die Gemeinden in Mazedonien nehmen, um
dann erst zu einem längeren Aufenthalt, vielleicht den Winter über, bei
ihnen zu verweilen6. Was die Sendung des Timotheus, von der schon I Kor
4, 17 zum ersten Mal die Rede ist, nötig gemacht hat, ist aus dem ganzen
ersten Schreiben deutlich zu ersehen: die Gemeinde ist von Parteien zer-
rissen, findet sich in vielen Fragen des Glaubens und Lebens, der Zucht
und des Gottesdienstes nicht zurecht. Gnostische Schwarmgeister haben die
Oberhand in ihr gewonnen und Lehre und Ansehen des Apostels unter-
graben. In diese bedenklichen Treibereien ist auch ein anderer führender
Prediger der korinthischen Gemeinde, der Alexandriner Apollos, mit hin-
eingezogen, der, wie wir aus I. Korintherbrief und Apostelgeschichte7 wis-
sen, bald nach dem Weggang des Paulus von Ephesus aus nach Korinth
entsandt war und dort gewirkt hat. Unter den Cliquen, die sich unter den
verschiedenen Parolen gebildet haben, - einer Paulus-, Petrus- und Chri-
stuspartei - ist auch eine Apollos-Gruppe8. Doch ist dieser selbst offenbar
an seiner Erhebung zum Parteihaupt nicht unmittelbar schuldig. Er be-
findet sich im Augenblick der Abfassung des I. Korintherbriefs bei Paulus
in Ephesus, wird von Paulus wiederholt ohne jeden Mißton erwähnt und
war sogar von ihm ausersehen, an der Befriedung der Gemeinde zusam-
men mit anderen Abgesandten mitzuwirken, doch hat ihn Paulus vorerst
zur Übernahme dieser Mission nicht bewegen können, sondern stellt nur
sein Kommen zu gelegenerer Zeit in Aussicht9.
6 I Kor 16, 5ff. 7 Act 18, 24ff.
8 I Kor 1, 12. Das vielverhandelte Parteienproblem soll hier unerörtert bleiben.
Die Streichung von έγώ δέ Χριστοί als spätere Glosse (so Joh. Weiss z. St. und
U. Wilckens, Weisheit und Torheit, 1959, S. 17 Anm. 2) kann ich nicht für
richtig halten.
9 I Kor 16, 12.