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Bornkamm, Günther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 2. Abhandlung): Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44191#0013
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Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes

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Daß Paulus überhaupt einen solchen Kampf kämpft, in einer solchen
Konzentration und Breite sonst nirgends in seinen Briefen, ist bereits be-
deutsam genug und zeigt, daß hier anderes auf dem Spiele stand, als nur
das persönlich dem Apostel entgegengebrachte oder versagte Vertrauen.
Er hat andernorts wie im Philipperbrief höchst unbekümmert um Liebe
oder Haß von dem Erfolg des Evangeliums sprechen können, das Freunde
und Feinde während seiner Gefangenschaft (wahrscheinlich in Ephesus)
furchtlos verkündigt haben. „Wenn nur auf jede Weise, unter Vorwand
oder in Wahrheit, Christus verkündigt wird“ (Phil 1, 18). Ebenso stellt er
sich selbst und sein Amt geflissentlich zurück, wenn es gilt, Vertrauen für
seine Mitarbeiter zu gewinnen19, und noch im I. Korintherbrief wehrt er
jede Überschätzung irgend eines Apostels oder Predigers am eigenen Bei-
spiel mit allem Nachdruck ab. „Was ist Apollos, was ist Paulus? Diener
sind sie, durch die ihr zum Glauben gekommen seid“ (I Kor 3, 5)20. Im
II. Korintherbrief dagegen kann er Anfeindung und Mißachtung nicht mit
der gleichen Gelassenheit hinnehmen. Der Grund dafür liegt darin, daß
die Gegner selbst wie er „Christus-Apostel“ zu sein beanspruchen und der
Gemeinde als solche gelten, d. h. nach allgemein urchristlichem, auch pau-
linischem Sprachgebrauch, der noch keine Beschränkung auf die Zwölf
kennt, bevollmächtigte Missionare21. Dieser Zug tritt in ihrem Anspruch
und Gebaren so deutlich hervor, daß Paulus sie zweimal ironisch „Über-
apostel“ (ύπερλίαν απόστολοι) nennt22. Von außen kommend sind sie offen-
bar erst jüngst in die paulinische Gemeinde eingedrungen, mit Empfeh-
lungsbriefen anderer Gemeinden23 und Selbstempfehlungen auftretend24,
Wanderapostel, die auf dem von der gnostischen Bewegung bereiteten Bo-
den nun ihr Wesen und Unwesen trieben. Wir kennen diese Gestalten
auch sonst aus der Geschichte des Urchristentums. Schon der Galater- und
der Philipperbrief rechnen mit solchen unwillkommenen Eindringlingen25.
Aber auch der II. und III. Johannesbrief kennt sie im guten26 wie im
schlimmen Sinn27 und die Zwölfapostellehre gibt handfeste Anweisungen
für die Unterscheidung von wahren und falschen Wanderaposteln und
-propheten28. Von dem Auftauchen dieser Leute hören wir im I. Korinther-
18 So z. B. Phil 2, 19ff.
20 Vgl. auch I Kor 3, 2 lff.
21 Zur Charakteristik der Gegner im Folgenden vgl. D. Georgi, Die Gegner des
Paulus in 2. Kor 2, 14 - 7, 4 und 10-13, Heidelberger Dissertation, 1958 (noch
ungedruckt), und speziell für den Begriff des „Christus-Apostels“ jetzt G. Klein,
a. a. 0., S. 52ff.
22 II Kor 11, 5; 12, 11.
23 II Kor 3, 1
24 II Kor 10, 12ff.; 11, 4. 22ff. u. ö.
25 Gal 1, 6ff.; 3, lff.; Phil 3, 2ff.
26 III Joh 5ff.
27 II Joh 8ff.; auch IgnEph 7, 1; Smyrn 4, 1.
28 Did 11, 3ff.
 
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