Metadaten

Bornkamm, Günther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 2. Abhandlung): Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes — Heidelberg, 1961

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44191#0014
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
12

Günther Bornkamm

brief noch nicht. Dies ist ein wichtiges neues Faktum. Paulus kann die
neuen „Apostel“ in Korinth freilich nur als Pseudapostel, betrügerische
Arbeiter, Leute, die sich als Christusapostel maskieren, ja als Satansdiener
im Gewände der Diener der Gerechtigkeit bezeichnen29. Denn sie predigen
ein anderes Evangelium, einen anderen Jesus und bringen einen anderen
Geist30. Mit neuen mysteriösen Offenbarungen31 und zugleich einer sehr
massiven Gewinnsucht verfälschen sie das wahre Evangelium32 und haben
damit bei der Gemeinde schnellen Eingang gefunden33.
Was die „Überapostel“ zu bieten haben, womit sie sich selbst empfehlen
und wonach sie christliche Existenz überhaupt und vor allem die Legitimi-
tät eines Apostels bemessen, sind die offenkundigen Erweise des Geist-
besitzes. Wunder und Krafttaten, Ekstasen, Visionen und die Gewalt der
freien Rede sollen sie als die wahren Gottesboten kennzeichnen, die zu
Christus gehören. Darum muß Paulus ihrem Anspruch gegenüber erklären:
„Behauptet einer zuversichtlich für sich, daß er zu Christus gehört, so be-
denke er doch dies bei sich, daß so wie er auch wir Christus angehören“
(10, 7). Insbesondere aber rühmen sich die Gegner auch ihrer Herkunft
als Hebräer, Israeliten, Abrahams Kinder34, auch kraft ihrer Zugehörig-
keit zum privilegierten Gottesvolk also legitime Diener Christi und Brin-
ger der echten Offenbarung.
Alle diese Merkmale der Gegner ergeben sich aus den reichlichen An-
spielungen vor allem der letzten vier Kapitel an die Selbstempfehlungen
der Gegner und die Vorwürfe, die sie gegen Paulus erhoben haben. Denn
er hat, so erklären sie, von allen diesen Vorzügen nichts aufzuweisen. In
seinem Auftreten ist er schwach und armselig, mutig nur aus der Ferne
und kraftvoll allein in seinen Briefen35, ein Stümper in der freien Rede36.
Im Bewußtsein seiner fehlenden Vollmacht nimmt er darum auch keine
materiellen Zuwendungen von der Gemeinde an37, die den Gegnern offen-
sichtlich ebenso wie die Empfehlungsbriefe, die sie sich von einer Ge-
meinde zur andern mitgeben lassen38, als augenfällige Bestätigung ihrer
pneumatischen Leistungen und Erfolge gelten. Schon 2, 17 heißt es in der
Entgegnung ftes Paulus: „denn wir verhökern (καπηλεύειν) nicht wie die
vielen das Wort Gottes, sondern in Lauterkeit, aus Gott, vor Gott, in Chri-
stus reden wir39.“ Ja, noch nicht genug: die Gegner haben dem Apostel

29
30
31
32
33
34
35
37
39

II Kor 11, 13-15.
II Kor 11, 4.
II Kor 12, lff.
II Kor 2, 17; 4, 2.
II Kor 11, 4.
II Kor 11, 22f.
II Kor 10, 1. 10 u. ö. 36 II Kor 11, 6.
II Kor 11, 7ff. 38 II Kor 3,1.
Das doppelte ώς (ώς έξ ειλικρίνειας, ώς έκ θεοί) hat nicht vergleichenden,
sondern präzisierenden und betonenden Sinn,
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften