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Bornkamm, Günther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 2. Abhandlung): Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44191#0016
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Günther Bornkamm

Verfolgungen, die er in seinem Dienst erfahren hat51. Wohl kann auch er
wie die Gegner behaupten, Hebräer, Israelit, Abrahams Nachkomme und
Diener Christi zu sein - „ich rede wahnwitzig: ich bin’s noch mehr“ (11,
22f.) wohl steht er in keinem Stück hinter den „Überaposteln“ zurück52
und kann, wenn die Gemeinde es denn so haben will, mit Ekstasen und
Visionen und den „Zeichen des Apostels“ aufwarten53. Niemand also sage,
daß er aus der Not eine Tugend mache. Doch ist alles das gerade nicht
sein wahrer Ruhmestitel und trägt, nur ihm selbst widerfahren, für seinen
Dienst und die Erbauung der Gemeinde nichts aus54. Sein wahrer Ruhm
ist vielmehr eben die ihm zum Vorwurf gemachte Schwachheit. Dieser
allein will er sich rühmen, damit die Kraft Christi bei ihm Wohnung
nehme55, gemäß dem Herrenwort, das über seinem ganzen Leben und Wir-
ken steht: „Meine Gnade ist genug für dich, denn die Kraft vollendet sich
in Schwachheit“ (12, 7). Dies ist das Siegel seines Apostolates, mehr als nur
Confessio einer individuellen Erfahrung, sondern gültiger Ausdruck seines
Christusverständnisses und jeglichen Christseins überhaupt56.
Die Frage der religionsgeschichtlichen Einordnung der Gegner des II.
Korintherbriefs ist bis heute in der Forschung verschieden beantwortet
worden. Sie ist nicht unwichtig, will man die historische und theologische
Relevanz des hier geführten Kampfes ermessen. Unter Verzicht auf eine
genauere Diskussion des Problems sollen hier nur die wichtigsten, sehr
disparaten Antworten genannt sein. Seit F. Chr. Baur und bis in neuere
Kommentare57 werden die Gegner als Judaisten gekennzeichnet, das heißt
als Vertreter eines extremen Judenchristentums, die auch den Heiden-
christen die Übernahme des jüdischen Gesetzes und der Beschneidung zu-
muten und darum gegen Paulus und sein gesetzesfreies Evangelium agi-
tieren. Wir kennen sie aus dem Galater- und Philipperbrief. Doch finden
sich im II. Korintherbrief keinerlei Spuren von solchen judaistischen For-
derungen, wie denn auch das große paulinische Thema von der Recht-
fertigung aus Glauben allein in unserem Brief keine Rolle spielt58. Eine
51 II Kor 11, 23-33.
52 II Kor 11, 5; 12, 11.
53 II Kor 12, lff. 12.
54 Zum Verständnis von II Kor 12, 2ff. vgl. E. Käsemann, a. a. 0., S. 68ff. bzw.
S. 62ff.
53 II Kor 12, 9.
56 II Kor 13, 4; vgl. 4, 7ff.; 6, 4ff.
57 F. Chr. Baur, Paulus, der Apostel Jesu Christi I 2. Aufl., 1866, S.287ff.; vgl.
H. Windisch, Der zweite Korintherbrief in: Kritisch-exegetischer Kommentar
über das Neue Testament, 6. Abt., 9. Aufl., 1924, S. 23ff.
58 Auch die Berufung auf ihre jüdische Herkunft (II Kor 11, 22) berechtigt noch
nicht, ihnen judaistische Lehren zu unterstellen, ebensowenig wie die Wendung
διάκονοι δικαιοσύνης (11, 15). Dazu treffend Bultmann, Exegetische Probleme
des Zweiten Korintherbriefes (Symbolae Biblicae Upsalienses 9, 1947), S. 25
 
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