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Bornkamm, Günther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 2. Abhandlung): Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44191#0018
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Günther Bornkamm

Absage an eine der bisher üblichen Etikettierungen ganz nach dem Modell
der inderSpätantikeweit verbreiteten heidnischen Wundermänner gezeich-
net, deren bekannteste Beispiele Apollonius vonTyana (Philostrat), Alexan-
der von Abonuteichos und Peregrinus Proteus (Lucian) sind. Der von ihnen
repräsentierte Typus ist bekanntlich eine höchst charakteristische Erschei-
nung auf dem Felde der Konkurrenz der verschiedensten Religionen im
Zeitalter des Synkretismus. Sie sind umherziehende Wanderpropheten,
Goeten, Heilbringer, geben sich als Abgesandte einer Gottheit, die ihre
δύναμις anpreisen und durch Offenbarungen und Wundertaten zur Schau
stellen64. Wichtig ist für uns, daß die urchristliche Mission im helleni-
stischen Raum offenbar alle Mühe hatte, sich dieser Rivalen zu erwehren;
auch Paulus mußte, wie I. Thess. 2, 1-12 zeigt, sich energisch gegen sie ab-
grenzen65. Nicht minder wichtig ist aber, daß dieser Typus sich auch im
vulgären Christentum in bedenklichem Maße durchsetzte und kopiert wur-
de. Es spricht alles dafür, daß die Gegner des Paulus im II. Korinther-
brief mit ihrem Christusverständnis, ihrem Gebaren, ihrer Verkündigung
und in dem Stil ihrer Propaganda jenem Typus zuzurechnen sind. Wohl
hatte die schon im I. Korintherbrief bezeugte gnostische Strömung ihnen
den Boden bereitet, so daß die neuen Geister mit ihrem Apostolat und
Pneumatikertum in Korinth schnell Eingang finden konnten. Doch darf
darüber nicht übersehen werden, daß das Eindringen dieser Wander-
apostel eine neue Phase des Kampfes um die Gemeinde des Paulus er-
öffnete66.
III.

Die bisher erörterten Fragen verschlingen sich nun aber sofort mit
literarischen Problemen, die unser II. Korintherbrief aufgibt und die
uns jetzt näher beschäftigen sollen. In seiner überlieferten Gestalt nämlich
ist er, wie längst erkannt, ein merkwürdig uneinheitliches Gebilde. Nähte
und Sprünge begegnen uns an mehreren Stellen, am deutlichsten jedoch
64 Vor allem R. Reitzenstein, Hellenistische Wundererzählungen, 1906, u. ö. hat
bereits die Propheten- und Philosophen-Aretalogien genauer analysiert und
mit Recht ihren Einfluß auf die späteren christlichen apokryphen Apostel-
akten behauptet; dazu bes. auch R. Söder, Die apokryphen Apostelgeschichten
und die romanhafte Literatur der Antike, 1932. Zum Bild des θείος άνήρ in
der Antike vgl. neben L. Bieler, Θείος ’Ανήρ I, 1935, vor allem H. Windisch,
Paulus und Christus, 1934, S. 24ff.
65 Belege bei Μ. Dibelius, An die Thessalonicher I. II, An die Philipper, Handb.
z. NT 11, 3. Aufl., 1937, S. 7ff. zu 1 Thess 2, lff.
66 Mit seltsamer Leidenschaft verficht W. Schmithals, Zur Abfassung und älte-
sten Sammlung der paulinisdien Hauptbriefe (Zeitschr. f. neutest. Wissensch.
51, 1960, S. 225ff.) die Gleichheit der Frontstellung in allen Paulusbriefen und
beklagt die von D. Georgi (a. a. 0.) und H. Köster, Artk. Häretiker im Ur-
 
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