Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes
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des Briefschreibers hier offenkundig eine andere ist als zuvor und in jedem
Falle unverständlich bleibt, warum unser Brief in dieser Gestalt mit sei-
nem ersten, auch der geringsten Trübung des wiedergewonnenen Verhält-
nisses zur Gemeinde keinerlei Raum gebenden Teil und seinem letzten,
der den Kampf in äußerster Tiefe zeigt, dann noch abgesandt werden
konnte.
Gegen die Vier-Kapitel-Hypothese wird freilich vor allem ein, wie es
scheint, gewichtiges Bedenken erhoben76. Der in den Kapiteln 2 und 7 ge-
nannte Zwischenfall nämlich, der sicher in 'dem Schmerzensbrief berührt
worden ist, wird in den letzten vier Kapiteln nirgends erwähnt. Aber ist
das mit Notwendigkeit zu erwarten? Zweifellos fand in dem Paulus an-
getanen Unrecht seitens eines Gemeindegliedes, wie früher schon gesagt,
die gegnerische Agitation gegen Paulus nur einen besonders bitteren Aus-
bruch. Das Bedenken entfällt unter der Annahme, 1) daß die besagten
Kapitel nur ein, wenn auch sicher das wichtigste Fragment des Schmerzens-
briefes sind, und 2) daß ein späterer Redaktor, vermutlich ein Christ aus
der korinthischen Gemeinde, der mehrere Stücke aus der umfangreichen
Korrespondenz des Paulus mit der Gemeinde zusammenstellte und an-
deren Gemeinden zugänglich machte, den ja ohnehin in dem Versöhnungs-
brief nicht verschwiegenen, aber dort als erledigt behandelten Zwischen-
fall nicht abermals in den letzten Teil des Briefganzen aufnahm.
Gewichtiger scheint mir jedoch ein anderer Einwand gegen die Zuord-
nung der letzten Kapitel zum sogenannten „Tränenbrief“, die Tatsache
nämlich, daß der eigentliche Inhalt des letzten Briefteiles, die Abschütte-
lung der Rivalen in dem Versöhnungsbrief (II Kor 2 und 7) mit Still-
schweigen übergangen wird77. Doch hängt die Bewertung dieses ernst-
zunehmenden Argumentes davon ab, 1) wie eng der Zusammenhang zwi-
schen dem in den Kapiteln 2 und 7 erwähnten Vorfall und der gegneri-
schen Agitation zu denken ist und 2) welchen Einfluß die Gegner noch zur
Zeit der Abfassung des Versöhnungsbriefes in der Gemeinde besaßen.
Waren die Gegner umherziehende Wanderapostel, die inzwischen Korinth
wieder verlassen haben - nach dem so überraschend erfolgreichen Zwi-
schenbrief des Apostels und der Mission des Titus war ihnen doch wohl
der Boden zu heiß geworden -, so versteht sich sehr wohl, daß sie in den
Kapiteln 2 und 7 nicht mehr erwähnt werden. Überdies kann ja nicht
zweifelhaft sein, daß in dem Zwischenfall der von den Pseudaposteln ge-
schürte Konflikt seine äußerste Zuspitzung erfahren hatte. Daß Paulus jetzt
nur noch auf ihn Bezug nimmt, ist auch darum wohl begreiflich, weil sein
Kampf der Zurückgewinnung der Gemeinde gilt. Zu ihr gehört der be-
76 Der folgende Einwand findet sich bei allen neueien Bestreitern der Vier-
Kapitel-Hypothese.
77 H. Windisch, a. a. 0., S. 14.
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des Briefschreibers hier offenkundig eine andere ist als zuvor und in jedem
Falle unverständlich bleibt, warum unser Brief in dieser Gestalt mit sei-
nem ersten, auch der geringsten Trübung des wiedergewonnenen Verhält-
nisses zur Gemeinde keinerlei Raum gebenden Teil und seinem letzten,
der den Kampf in äußerster Tiefe zeigt, dann noch abgesandt werden
konnte.
Gegen die Vier-Kapitel-Hypothese wird freilich vor allem ein, wie es
scheint, gewichtiges Bedenken erhoben76. Der in den Kapiteln 2 und 7 ge-
nannte Zwischenfall nämlich, der sicher in 'dem Schmerzensbrief berührt
worden ist, wird in den letzten vier Kapiteln nirgends erwähnt. Aber ist
das mit Notwendigkeit zu erwarten? Zweifellos fand in dem Paulus an-
getanen Unrecht seitens eines Gemeindegliedes, wie früher schon gesagt,
die gegnerische Agitation gegen Paulus nur einen besonders bitteren Aus-
bruch. Das Bedenken entfällt unter der Annahme, 1) daß die besagten
Kapitel nur ein, wenn auch sicher das wichtigste Fragment des Schmerzens-
briefes sind, und 2) daß ein späterer Redaktor, vermutlich ein Christ aus
der korinthischen Gemeinde, der mehrere Stücke aus der umfangreichen
Korrespondenz des Paulus mit der Gemeinde zusammenstellte und an-
deren Gemeinden zugänglich machte, den ja ohnehin in dem Versöhnungs-
brief nicht verschwiegenen, aber dort als erledigt behandelten Zwischen-
fall nicht abermals in den letzten Teil des Briefganzen aufnahm.
Gewichtiger scheint mir jedoch ein anderer Einwand gegen die Zuord-
nung der letzten Kapitel zum sogenannten „Tränenbrief“, die Tatsache
nämlich, daß der eigentliche Inhalt des letzten Briefteiles, die Abschütte-
lung der Rivalen in dem Versöhnungsbrief (II Kor 2 und 7) mit Still-
schweigen übergangen wird77. Doch hängt die Bewertung dieses ernst-
zunehmenden Argumentes davon ab, 1) wie eng der Zusammenhang zwi-
schen dem in den Kapiteln 2 und 7 erwähnten Vorfall und der gegneri-
schen Agitation zu denken ist und 2) welchen Einfluß die Gegner noch zur
Zeit der Abfassung des Versöhnungsbriefes in der Gemeinde besaßen.
Waren die Gegner umherziehende Wanderapostel, die inzwischen Korinth
wieder verlassen haben - nach dem so überraschend erfolgreichen Zwi-
schenbrief des Apostels und der Mission des Titus war ihnen doch wohl
der Boden zu heiß geworden -, so versteht sich sehr wohl, daß sie in den
Kapiteln 2 und 7 nicht mehr erwähnt werden. Überdies kann ja nicht
zweifelhaft sein, daß in dem Zwischenfall der von den Pseudaposteln ge-
schürte Konflikt seine äußerste Zuspitzung erfahren hatte. Daß Paulus jetzt
nur noch auf ihn Bezug nimmt, ist auch darum wohl begreiflich, weil sein
Kampf der Zurückgewinnung der Gemeinde gilt. Zu ihr gehört der be-
76 Der folgende Einwand findet sich bei allen neueien Bestreitern der Vier-
Kapitel-Hypothese.
77 H. Windisch, a. a. 0., S. 14.