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Bornkamm, Günther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 2. Abhandlung): Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44191#0026
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24

Günther Bornkamm

IV.
Die entscheidende Frage ist aber nun, ob sich für das Zustandekommen
der Briefsammlung in der überlieferten Gestalt eine Erklärung geben läßt.
Soweit ich sehe, ist diese Frage kaum gestellt, geschweige denn zureichend
beantwortet. Doch meine ich, daß diese Antwort sich sehr wohl geben und
damit das Recht der vorgetragenen Analyse erst wirklich erweisen läßt.
deutlich noch aus dem Brieffragment 2, 14 - 7, 4, das nach Schm, unmittelbar
nach dem Zwischenbesuch geschrieben und dem Titus von Ephesus nach Ko-
rinth mitgegeben sei. Später erst sei das Zwischenereignis - also in absentia
des Apostels - passiert, das den Tränenbrief veranlaßte (Schm, vermutet hin-
ter der αδικία den II 12, 16 erwähnten infamen Vorwurf). Doch ist mir uner-
findlich, wie man die in engstem Zusammenhang erwähnten drei Größen
(Zwischenbesuch, Zwischenfall und Tränenbrief) auseinanderreißen kann. Auch
findet sich in 2, 14 - 7, 4 nicht die geringste Anspielung auf den angeblich eben
erfolgten Besuch. Für seine Konstruktion führt Schm, vor allem an: II 1, 13
und 17 setze voraus, daß Paulus einen von I 16, äff. abweichenden Reise- und
Besuchsplan den Korinthern schriftlich mitgeteilt habe, den er nachträglich auf-
gab, so daß man ihm Unzuverlässigkeit vorwarf (1, 15ff.). Dieser später auf-
gegebene Reiseplan müsse in dem Brieffragment 2, 14 - 7, 4 gestanden haben,
sei aber später vom Redaktor gestrichen (S. 26). In der Tat ist die enge Ver-
bindung von 1, 13 und 1, läff. und also die Annahme, die Korinther hätten
ihm ein früher brieflich gegebenes Versprechen vorgehalten, möglich, doch
keineswegs nötig. Und selbst wenn es geschehen sein sollte, wäre durchaus
ihre Berufung auf die Besuchsankündigung 116, äff. denkbar. Hier ist die vor-
gesehene Reiseroute zwar eine andere (Ephesus-Mazedonien-Korinth) im Un-
terschied zu II 1, läf. (Korinth-Mazedonien-Korinth). Doch ist schwerlich die
bloße Frage der Reiseroute für die Korinther ein Stein des Anstoßes gewesen,
sondern die Tatsache, daß Paulus ihnen den angekündigten längeren Aufent-
halt bisher schuldig geblieben ist, der allein den Ausdruck δευτέρα χάρις (II 1,
lä) - entsprechend seinem ersten, Gemeinde gründenden Wirken in Korinth -
rechtfertigen kann. Dazu ist es nun in der Tat nicht gekommen, sondern nur
zu einem kurzen Besuch έν λύπη (2, 1), und Paulus muß sein Versäumnis und
die Abänderung seines Reiseplanes rechtfertigen: nicht er, sondern die Vor-
gänge in der Gemeinde tragen die Schuld und haben es zu einem „Gnaden-
wirken“ des Apostels bei ihnen nicht kommen lassen. Um sie zu schonen, hat
er darum von einem abermaligen Kommen bisher abgesehen (1, 23ff.). Aus den
dargelegten Gründen halte ich es nicht für angängig, mit Schm. (a. a. 0. S. 21.
26, auch Lietzmann) δευτέρα χάρις auf den stattgefundenen Zwischenbesuch
zu beziehen. - Was endlich die Ankündigung seines dritten Besuchs anlangt,
so besteht auch von daher keine Veranlassung, den Tränenbrief von dem
Zwischenbesuch zu lösen. Nach Schm, soll II 13, 1 darauf deuten, daß der
Tränenbrief unmittelbar vor der endgültigen, über Mazedonien führenden
Reise nach Korinth geschrieben sei, nicht aber bereits auf der im Anschluß
an den Zwischenbrief erfolgenden Rückreise nach Ephesus (S. 26). Letzteres
allerdings, wohl aber kann und wird er in Ephesus geschrieben sein, wo Pau-
lus sofort alles daran setzte, seinen Besuchsplan - wenn auch in abgeänderter
Gestalt - zu verwirklichen und für seine gesegnete Durchführung (13, 10) durch
den Schmerzensbief und die Sendung des Titus die unerläßlichen Vorausset-
zungen zu schaffen.
 
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