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Günther Bornkamm
die Tendenz der Idealisierung des Apostelbildes erkennen zu können, und
zwar nicht in irgendwelchen Hinzufügungen und Verfälschungen, sondern
wieder in der Komposition des Ganzen. Es ist die schon erwähnte Stelle
des 2. Kapitels, wo der Bericht der Reise des Paulus nach Mazedonien,
dem Titus entgegen, an der spannendsten Stelle jäh abbricht, um erst viel
später im 7. Kapitel fortgesetzt zu werden, und die breit ausgeführte erste
Apologie des apostolischen Amtes eingefügt ist. Dieser dazwischen gestellte
Briefteil setzt mit einem Hymnus ein: „Gott aber sei Dank, der uns in
Christus allezeit im Triumph herumführt und den Duft seiner Erkennt-
nis113 durch uns an jedem Ort offenbart.“ Fraglos auch hier eine urpauli-
nische Aussage, befremdlich nur an dieser Stelle, deren Kontext von allem
andern eher redet als einem Triumphzug, sondern nur von der überstürzten
Reise des Apostels, sogar unter Zurückstellung der ihm sich bietenden
missionarischen Möglichkeiten, in größter Sorge um den Ausgang des
korinthischen Konfliktes. So wenig dieser unvermittelte Übergang vom
Standort des Paulus aus vorstellbar ist, so gut paßt er, wie ich meine, in
die Anschauung eines späteren Sammlers und Herausgebers, der rück-
blickend auch jene Reise des Paulus von Ephesus über Troas nach Ma-
zedonien im Lichte des Triumphzuges sieht, den der Völkerapostel voll-
bracht hat114. So mußte ihm die genannte Stelle als besonders geeignet
erscheinen, hier alsbald jene erste Apologie einzufügen115, deren letzte,
113 Ein antikes Bild der praesentia dei.
114 "θριαμβεύειν τινά kann entweder bedeuten: jemand im Triumph (als Besiegten)
aufführen oder jemand triumphieren lassen; evtl, auch (abgeschwächt) jemand
z. B. einen Verbrecher) öffentlich einherführen (W. Bauer, Wörterbuch, s. v.).
- Im Sinne des Paulus kann nur das erste gemeint sein (Gott ist der Trium-
phierende, nicht der Apostel); gegen die abgeschwächte Bedeutung (so Lietz-
mann z. St.) spricht die Feierlichkeit des Ausdrucks und die breite Ausführung
des Bildes (οσμή τής γνώσεως dürfte Anspielung an die zum Triumphzug
gehörenden Weihrauchdüfte sein; Belege bei Windisch; Lietzmann). Erinnert
man sich daran, daß "θρίαμβος und "θριαμβεύειν ursprünglich aus dem Dionysos-
kult stammen und Dionysos eine der Gottheiten ist, die seiner Kultlegende
und den entsprechenden kultischen Begehungen nach (Prozession) ihren kos-
mischen Triumphzug halten (Hinweis von D. Georgi), so wird der Übergang
zum Triumphzug des Gottesboten ohne weiteres verständlich (vgl. F. Pfister,
Der antike Reliquienkult, 1909, S. 167f.). In diesem Sinne hat offenbar der
Redaktor den Ausdruck verstanden. Der Apostel als Wanderheros ist ein ver-
breitetes Motiv in den späteren apokryphen Apostelakten, deren Zusammen-
hang mit antiken Götter-, Propheten- und Philosophenaretalogien längst er-
kannt und genauer behandelt ist. Vgl. R. Reitzenstein, Hellenistische Wun-
dererzählungen, 1906; F. Pfister, a. a. O., S. 130ff. 238ff.; ders. in E. Hennecke,
Neutestamentliche Apokryphen, 2. Aufl., 1924, S. 163ff. und R. Söder, Die
apokryphen Apostelgeschichten und die romanhafte Literatur der Antike, 1932,
S.21ff.
115 Der Weg des Paulus von Troas nach Philippi und Mazedonien wird in seiner
Bedeutung auch von der Apg (16, 6ff.) stärkstens herausgehoben (hier aller-
dings im Rahmen der sogenannten zweiten Missionsreise). Der Apostel folgt
Günther Bornkamm
die Tendenz der Idealisierung des Apostelbildes erkennen zu können, und
zwar nicht in irgendwelchen Hinzufügungen und Verfälschungen, sondern
wieder in der Komposition des Ganzen. Es ist die schon erwähnte Stelle
des 2. Kapitels, wo der Bericht der Reise des Paulus nach Mazedonien,
dem Titus entgegen, an der spannendsten Stelle jäh abbricht, um erst viel
später im 7. Kapitel fortgesetzt zu werden, und die breit ausgeführte erste
Apologie des apostolischen Amtes eingefügt ist. Dieser dazwischen gestellte
Briefteil setzt mit einem Hymnus ein: „Gott aber sei Dank, der uns in
Christus allezeit im Triumph herumführt und den Duft seiner Erkennt-
nis113 durch uns an jedem Ort offenbart.“ Fraglos auch hier eine urpauli-
nische Aussage, befremdlich nur an dieser Stelle, deren Kontext von allem
andern eher redet als einem Triumphzug, sondern nur von der überstürzten
Reise des Apostels, sogar unter Zurückstellung der ihm sich bietenden
missionarischen Möglichkeiten, in größter Sorge um den Ausgang des
korinthischen Konfliktes. So wenig dieser unvermittelte Übergang vom
Standort des Paulus aus vorstellbar ist, so gut paßt er, wie ich meine, in
die Anschauung eines späteren Sammlers und Herausgebers, der rück-
blickend auch jene Reise des Paulus von Ephesus über Troas nach Ma-
zedonien im Lichte des Triumphzuges sieht, den der Völkerapostel voll-
bracht hat114. So mußte ihm die genannte Stelle als besonders geeignet
erscheinen, hier alsbald jene erste Apologie einzufügen115, deren letzte,
113 Ein antikes Bild der praesentia dei.
114 "θριαμβεύειν τινά kann entweder bedeuten: jemand im Triumph (als Besiegten)
aufführen oder jemand triumphieren lassen; evtl, auch (abgeschwächt) jemand
z. B. einen Verbrecher) öffentlich einherführen (W. Bauer, Wörterbuch, s. v.).
- Im Sinne des Paulus kann nur das erste gemeint sein (Gott ist der Trium-
phierende, nicht der Apostel); gegen die abgeschwächte Bedeutung (so Lietz-
mann z. St.) spricht die Feierlichkeit des Ausdrucks und die breite Ausführung
des Bildes (οσμή τής γνώσεως dürfte Anspielung an die zum Triumphzug
gehörenden Weihrauchdüfte sein; Belege bei Windisch; Lietzmann). Erinnert
man sich daran, daß "θρίαμβος und "θριαμβεύειν ursprünglich aus dem Dionysos-
kult stammen und Dionysos eine der Gottheiten ist, die seiner Kultlegende
und den entsprechenden kultischen Begehungen nach (Prozession) ihren kos-
mischen Triumphzug halten (Hinweis von D. Georgi), so wird der Übergang
zum Triumphzug des Gottesboten ohne weiteres verständlich (vgl. F. Pfister,
Der antike Reliquienkult, 1909, S. 167f.). In diesem Sinne hat offenbar der
Redaktor den Ausdruck verstanden. Der Apostel als Wanderheros ist ein ver-
breitetes Motiv in den späteren apokryphen Apostelakten, deren Zusammen-
hang mit antiken Götter-, Propheten- und Philosophenaretalogien längst er-
kannt und genauer behandelt ist. Vgl. R. Reitzenstein, Hellenistische Wun-
dererzählungen, 1906; F. Pfister, a. a. O., S. 130ff. 238ff.; ders. in E. Hennecke,
Neutestamentliche Apokryphen, 2. Aufl., 1924, S. 163ff. und R. Söder, Die
apokryphen Apostelgeschichten und die romanhafte Literatur der Antike, 1932,
S.21ff.
115 Der Weg des Paulus von Troas nach Philippi und Mazedonien wird in seiner
Bedeutung auch von der Apg (16, 6ff.) stärkstens herausgehoben (hier aller-
dings im Rahmen der sogenannten zweiten Missionsreise). Der Apostel folgt