Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes
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schon früher zitierten zuversichtlich gestimmten Worte ihm auch im Über-
gang von 7, 4 auf 5 die Fortführung des unterbrochenen Berichtes leicht er-
möglichten116.
Überblicken wir die vorgetragene Analyse, so scheint das Bild verwir-
rend. Doch ist schnell einzusehen, daß die Komposition der verschiedenen
ßrieffragmente einfacher und natürlicher zustande gekommen ist, als man
zunächst vermeint. Der Sammler hat den zuletzt geschriebenen Versöh-
nungsbrief zugrunde gelegt, - wohl begreiflich im Blick auf eine Zeit, für
die ja die schweren Kämpfe des Apostels von einst zum guten Ende ge-
kommen waren und nur noch paradigmatische Bedeutung hatten. Er hat
sodann den ja tatsächlich von allen Brieffragmenten am frühesten ver-
faßten und das wichtigste Stück des Ganzen darstellenden Teil, in dem
Paulus in breiten, theologischen Erörterungen und noch in einer gewissen
Überlegenheit über das Wesen des apostolischen Amtes schreibt, in Ka-
pitel 2 eingefügt (2, 4 bis 7, 4) und nur dem Fragment des Tränenbriefes
aus den dargelegten Gründen den Platz am Ende des Ganzen gegeben.
Mit den besprochenen Abschnitten sind freilich noch nicht alle Partien des
„Briefes“ genannt, die eine literarkritische Analyse erfordern. Zu ihnen gehören
vor allem noch die beiden Kollektenkapitel 8 und 9, auf deren Probleme hier
nur kurz eingegangen werden soll. Zweimal wird hier in breiten, in sich ge-
schlossenen Ausführungen Bedeutung und Dringlichkeit der Kollekte für Jerusa-
lem behandelt. Da II Kor 9 mit Angabe des Themas neu einsetzt, ohne jedoch
hier und im folgenden auf Kapitel 8 auch nur im geringsten Bezug zu nehmen,
sind beide Kapitel verschiedenen Briefen zuzuweisen117. Hinzu kommt, daß die
Briefsituation hier und da nicht einfach die gleiche ist. Kapitel 8 ist ein Empfeh-
lungsschreiben für den nach Korinth in Begleitung anderer Gefährten (deren
Namen gestrichen sein dürften) zurückgesandten Titus, der das schon im vorigen
Jahr begonnene Kollektenwerk zum Abschluß bringen soll118. Paulus stellt dabei
den Korinthern den Eifer der Mazedonier als Vorbild vor Augen119. Der einst so
schwer bedrohte, aber inzwischen wieder hergestellte Friede, von dem der Ver-
söhnungsbrief 1, 1-2, 13; 7,5-16 geredet hat, ist dabei vorausgesetzt. Auf die
bösen Verdächtigungen, die wir aus dem „Tränenbrief“ kennengelernt haben,
nimmt auch 8, 20 ausdrücklich noch Bezug, wenn auch das Gewitter von einst hier
nur noch in schwachem Wetterleuchten erkennbar ist120. Kp. 8 dürfte also als
einer im Traum wunderbar an ihn ergangenen göttlichen Weisung. Auch dies
ist ein fester Topos in den apokryphen Apostelakten (R. Söder, a. a. 0., S.
171ff.). Ebenso beliebt ist das Motiv, daß die Gottheit ihren Helden in größter
Not und Verzweiflung wunderbar errettet (ebd. S. 162ff.).
116 Damit dürfte das Bedenken von Windisch, a. a. 0., S. 225 behoben sein: „Das
Mißliche dieser Operation ist nur, daß niemand sagen kann, wie das Fragment
an diese Stelle gekommen ist.“ Zu W’s eigener Umstellungshypothese s. o.
S. 22 Anm. 86.
117 So auch Windisch u. a. 118 II Kor 8, 6. 10; vgl. auch 9, 2
119 II Kor 8, lff.
120 Die Mitsendung von Gemeindedelegierten soll wohl jedem Verdacht den Bo-
den entziehen.
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schon früher zitierten zuversichtlich gestimmten Worte ihm auch im Über-
gang von 7, 4 auf 5 die Fortführung des unterbrochenen Berichtes leicht er-
möglichten116.
Überblicken wir die vorgetragene Analyse, so scheint das Bild verwir-
rend. Doch ist schnell einzusehen, daß die Komposition der verschiedenen
ßrieffragmente einfacher und natürlicher zustande gekommen ist, als man
zunächst vermeint. Der Sammler hat den zuletzt geschriebenen Versöh-
nungsbrief zugrunde gelegt, - wohl begreiflich im Blick auf eine Zeit, für
die ja die schweren Kämpfe des Apostels von einst zum guten Ende ge-
kommen waren und nur noch paradigmatische Bedeutung hatten. Er hat
sodann den ja tatsächlich von allen Brieffragmenten am frühesten ver-
faßten und das wichtigste Stück des Ganzen darstellenden Teil, in dem
Paulus in breiten, theologischen Erörterungen und noch in einer gewissen
Überlegenheit über das Wesen des apostolischen Amtes schreibt, in Ka-
pitel 2 eingefügt (2, 4 bis 7, 4) und nur dem Fragment des Tränenbriefes
aus den dargelegten Gründen den Platz am Ende des Ganzen gegeben.
Mit den besprochenen Abschnitten sind freilich noch nicht alle Partien des
„Briefes“ genannt, die eine literarkritische Analyse erfordern. Zu ihnen gehören
vor allem noch die beiden Kollektenkapitel 8 und 9, auf deren Probleme hier
nur kurz eingegangen werden soll. Zweimal wird hier in breiten, in sich ge-
schlossenen Ausführungen Bedeutung und Dringlichkeit der Kollekte für Jerusa-
lem behandelt. Da II Kor 9 mit Angabe des Themas neu einsetzt, ohne jedoch
hier und im folgenden auf Kapitel 8 auch nur im geringsten Bezug zu nehmen,
sind beide Kapitel verschiedenen Briefen zuzuweisen117. Hinzu kommt, daß die
Briefsituation hier und da nicht einfach die gleiche ist. Kapitel 8 ist ein Empfeh-
lungsschreiben für den nach Korinth in Begleitung anderer Gefährten (deren
Namen gestrichen sein dürften) zurückgesandten Titus, der das schon im vorigen
Jahr begonnene Kollektenwerk zum Abschluß bringen soll118. Paulus stellt dabei
den Korinthern den Eifer der Mazedonier als Vorbild vor Augen119. Der einst so
schwer bedrohte, aber inzwischen wieder hergestellte Friede, von dem der Ver-
söhnungsbrief 1, 1-2, 13; 7,5-16 geredet hat, ist dabei vorausgesetzt. Auf die
bösen Verdächtigungen, die wir aus dem „Tränenbrief“ kennengelernt haben,
nimmt auch 8, 20 ausdrücklich noch Bezug, wenn auch das Gewitter von einst hier
nur noch in schwachem Wetterleuchten erkennbar ist120. Kp. 8 dürfte also als
einer im Traum wunderbar an ihn ergangenen göttlichen Weisung. Auch dies
ist ein fester Topos in den apokryphen Apostelakten (R. Söder, a. a. 0., S.
171ff.). Ebenso beliebt ist das Motiv, daß die Gottheit ihren Helden in größter
Not und Verzweiflung wunderbar errettet (ebd. S. 162ff.).
116 Damit dürfte das Bedenken von Windisch, a. a. 0., S. 225 behoben sein: „Das
Mißliche dieser Operation ist nur, daß niemand sagen kann, wie das Fragment
an diese Stelle gekommen ist.“ Zu W’s eigener Umstellungshypothese s. o.
S. 22 Anm. 86.
117 So auch Windisch u. a. 118 II Kor 8, 6. 10; vgl. auch 9, 2
119 II Kor 8, lff.
120 Die Mitsendung von Gemeindedelegierten soll wohl jedem Verdacht den Bo-
den entziehen.