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Bornkamm, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1965, 1. Abhandlung): Luther als Schriftsteller: vorgelegt am 6. Juni 1964 — Heidelberg, 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.44206#0022
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Heinrich Bornkamm

aus dieser Schilderung heraushören will, er habe sich vor der „Über-
fülle seines schöpferischen Dranges“ kaum retten können12, und nicht
wiederum die großartige Selbstironie, mit der er seine schriftlichen
Ergüsse betrachten konnte. So nimmt es nicht wunder, daß die Zahl
der Äußerungen, in denen er mit seinen Büchern in ein strenges Ge-
richt geht, die wenigen, in denen er sich an einem freut oder auch
später noch dazu bekennt, weit übersteigt’3. Er hat keinen literari-
schen Ehrgeiz. Im Gegenteil, er schreibt einmal in der Einleitung zu
der eilig ausgearbeiteten großen Streitschrift gegen Eck vor der Leip-
ziger Disputation: man solle sich an den Ungleidimäßigkeiten seines
Stils nicht stoßen; er schreibe mit Absicht so, denn ihm liege nichts
am bleibenden Ruhm seines Namens, er hoffe, bald wieder in seinen
stillen Winkel zurückkehren zu können; sein Auftritt habe seine Zeit,
und nach ihm würden andere kommen14. Und doch - die unbefan-
gene Freude am Schreiben, die er selten, aber dann offen eingesteht,
veranlaßt ihn, sich selbst fröhlich nach den Ohren zu greifen.
Luther empfindet in alledem ganz unhumanistisch. Das innere
Widerspiel, auf das man in den Äußerungen über seine Schriftstel-
lerei stößt, ist geradezu eine Umkehrung der Selbstempfindungen
der Humanisten. Der harten Kritik, die er an seinen Schriften übt,
fehlt jeder Zug einer Konvention, nach der man sich durch Beschei-
denheit empfehlen und hoffen kann, im Spiel des gegenseitigen Lo-
bens, in das man sich einordnet, auf seine Kosten zu kommen. Sein
scharfes Urteil über sich selbst ist ebenso rückhaltlos und unbefangen,
wie er hin und wieder dankbar von den ihm verliehenen Gaben spre-
chen kann. Man braucht nur zum Vergleich den Spott des Erasmus
. . . Deus ridet nostras istas egregias sapientias, quibus coram eo gesticulamur,
credo, quod et delectetur istis suis Morionibus, eum regere docentibus, id quod
ego non raro feci et adhuc facio saepe. Sed si in publicum proderentur, ne ego
tabula pulcherrima fierem omnium fabularum totius mundi. Non quod impia
et mala sint, quae sic ardens cogito, sed quod prae nimia sapientia stulta sunt,
etiam me ipso iudice post refrigeratum inventionis calorem. 45, 422, 4ff.
12 Hans Preuss, Martin Luther. Der Künstler (1931), S. 284.
13 Vgl. die im Register I der WA 58, 79ff. gesammelten Stellen und Holl, S. 398f.
14 In qua re, optime lector, te primum oro, ne stili mei varietatem mireris. Sum
plane aliquando sordidior penitusque mei dissimilis, quod de industria facio,
quod mihi non sit spes nominis et memoriae diuturnae, nec tale quippiam un-
quam quaesivi, sed sicut vi in publicum tractus sum, ita cogito semper, quam
possim citius redire in meum angulum, salvo Christiano meo nomine. Habere
enim puto theatrum meum suam horam. Post me alius sequetur, si dominus
volet: ego tempori meo satisfecerim. 2; 183, 12ff.
 
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