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Bornkamm, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1965, 1. Abhandlung): Luther als Schriftsteller: vorgelegt am 6. Juni 1964 — Heidelberg, 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.44206#0040
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Heinrich Bornkamm

Luther widmete es als Dankesgabe dem Kurprinzen Johann
Friedrich, der sich zu ihm als seinem „geistlichen Vater“ bekannt
hatte65. Damit steht die Auslegung zugleich in der Reihe des seel-
sorgerlichen Schrifttums, das einen nicht allzu umfangreichen, aber
bedeutsamen Teil seines literarischen Werkes ausmacht. Zu ihm
gehören auch alle seine politischen Schriften. Sie sind keine staats-
theoretischen oder sozialethischen Abhandlungen, sondern Gewis-
sensratschläge und zumeist schon im Titel als solche zu erkennen:
Eine treue Vermahnung zu allen Christen, sich zu hüten vor Auf-
ruhr und Empörung (1522), Von weltlicher Oberkeit, wie weit man
ihr Gehorsam schuldig sei (1523)66, Ermahnung zum Frieden auf die
zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben (1525), Ob Kriegsleute
auch in seligem Stande sein können (1526), An die Pfarrherrn wider
den Wucher zu predigen, Vermahnung (1540)67. Erst recht aber tra-
gen diesen Charakter des persönlichen Zuspruchs die im engeren
Sinne seelsorgerlichen Schriften, z. B. Ob man vor dem Sterben
fliehen möge (1527)68, die Antwort auf eine Anfrage der Breslauer
Prediger nach dem Verhalten während einer Pest, oder Eine ein-
fältige Weise zu beten, für einen guten Freund, nämlich seinen
Barbier Meister Peter (1535)69. Auf das überindividuelle Gegen-
über der Gemeinde richten sich die Predigten, die zwar in einer
festeren Tradition stehen, aber doch durch die gleichen Wesenszüge
ihre Eigenart erhalten. Sie unterscheiden sich von der Predigt der
deutschen Mystik eben durch die Verschmelzung der biblischen und
der eigenen Welt. Sie sind niemals sein Tagebuch; in der Erwäh-
nung rein individueller Erlebnisse oder nur aktueller Ereignisse ist
Luther in ihnen und erst recht in seinen Vorlesungen im ganzen sehr
zurückhaltend. Aber sie strömen über von Lebensbezügen, die er in
den Texten findet, wie umgekehrt die Fülle seiner geschichtlichen

65 Brief vom 20. 12. 1520, Br. 2; 238, 17. Luthers Widmungsbrief vom 10.3. 1521.
7, 544f.
66 Mit angeregt durch ein ihm übersandtes Buch des Bamberger Juristen Frhrn.
von Schwarzenberg. Luthers Brief an ihn vom 21. 9. 1522. Br. 2; 600, 25.
67 Ähnlich seelsorgerlich sind seine früheren Wucherschriften gemeint. Luther ist
um sie gebeten worden und hofft, daß wenigstens etliche unter den Kaufleuten,
die „auferwacht“ sind, „aus dem schlund und rachen des geytzs erlöset wür-
den“. Von Kaufshandlung und Wucher (1524) 15; 293, 8. 20ff. Auch die Tür-
kenschriften (1529, 1541. WA 10, II u. 51) sind so zu verstehen.
68 23, 323ff.
69 38, 351ff.
 
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