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Hampe, Roland; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1967, 1. Abhandlung): Kult der Winde in Athen und Kreta — Heidelberg, 1967

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https://doi.org/10.11588/diglit.44211#0018
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Roland Hampe

Als Gewährsmann für diese Episode von Salamis nennt Plutarch
(Them. 13) den Phanias von Lesbos, einen „Philosophen und in der
historischen Wissenschaft nicht unerfahrenen Mann“. Wenn dieser
Phanias (= Phainias) von Lesbos so wohl unterrichtet war, dann
kannte er gewiß auch jene lesbische Überlieferung, von der wir erst
seit kurzem durch neuere Papyrusfunde Kenntnis haben: ein Gedicht
des Alkaios (Lobel-Page 129)2, das sich mit einem stark fragmentier-
ten Gedicht der Sappho (Lobel-Page 17) inhaltlich ergänzt; denn die
beiden lesbischen Dichter beziehen sich hier auf dieselbe Überliefe-
rung, das Gründungs-Aition für ein berühmtes lesbisches Heiligtum:
Als die Atriden Troja zerstört hatten und auf der Heimfahrt waren,
wurden sie durch widrige Winde aufgehalten. Sie konnten nicht wei-
terfahren, ehe sie nicht auf Lesbos einer Göttertrias in einem gemein-
samen Heiligtum geopfert hatten: dem ,Zeus Antiaos‘ (der den widri-
gen Winden wehrt), ,der berühmten äolischen Göttin Hera, der Her-
vorbringerin von Allem? und dem Dionysos mit den Beinamen
,Kemelios‘ (Hirschkalb-Dionysos) und ,Omestes‘ (Rohverschlinger),
demselben Dionysos also, dem vor der Schlacht von Salamis die drei
Perser geopfert wurden. „Dies Wort ώμηστής bezeichnet sonst vor-
nehmlich den Löwen . . . Aber auch andere Raubtiere, Wolf, Adler,
leichenfressende Vögel und Hunde, werden damit charakterisiert“3.
Hatte Dionysos, der Rohverschlinger, damals in Lesbos Menschen-
leben als Opfer für Wind gefordert4? Wurden ihm doch auch auf
den Nachbarinseln Chios und Tenedos Menschenopfer dargebracht.
Bricht bei dem Menschenopfer vor der Schlacht von Salamis die Er-
innerung an Bräuche der Vorzeit wieder durch, ist es etwa als Opfer
für die Winde aufzufassen, die Winde, deren Gunst für den Verlauf
der Seeschlacht so entscheidend werden konnte?
Aus der griechischen Vorzeit, der Zeit des trojanischen Krieges
und der Atriden, sind uns jedenfalls mehrfach Menschenopfer für
Wind überliefert. Das bekannteste, weltberühmt gewordene, ist die

2 L. Deubner, Zu den neuen Bruchstücken des Alkaios, Abh. Berlin 1943; D.
Page, Sappho and Alcaeus (1955) 58ff. 161ff.; H. Eisenberger, Der Mythos in
der Äolischen Lyrik, Diss. Frankf. 1956, 83f. - Die beiden lesbischen Dichter
folgen einer anderen Sagenversion als die Odyssee 3, 130ff. und die Nostoi. -
L. A. Stella, La Parola del Passato (1956) 324 mit Lit.
3 W. F. Otto, Dionysos (1960) 100. - Was aber bedeutet ,Hirschkalb‘-Dionysos?
E. Simon vermutet in „Boreas und Oreithyia“: Dionysos Omestes habe Hirsch-
kalbopfer empfangen in Ablösung älterer Menschenopfer, so wie die Hirschkuh
als Ersatz für das Menschenopfer der Iphigenie eintrat.
4 Vgl. E. R. Dodds, Euripides Bacchae2 (1960) S. XIX; Farnell, Cults V 156ff.
 
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