Metadaten

Hampe, Roland; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1967, 1. Abhandlung): Kult der Winde in Athen und Kreta — Heidelberg, 1967

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44211#0022
License: In Copyright
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
12

Roland Hampe

dieses Gottes stifteten sie ihm am Ilissos Heiligtum und Altar, wor-
auf auch Platon an der bekannten Stelle im Phaidros (229 C) an-
spielt. Wenn Hesych unter dem Stichwort Βορεασμοί von Festen und
Opferschmaus für Boreas in Athen berichtet, so mag es sich um die
jährlich wiederholten Dankesfeiern für diesen Windgott als Helfer
in der Not und Retter handeln. Wenn man in Thurioi seit dem See-
sieg über Dionysios dem Boreas Euergetes jährlich opferte und ihn
wie einen Bürger der Stadt sogar mit Haus und Landlos versah16,
oder wenn man in Megalopolis jährliche Opfer für Boreas als Retter
(σωτήρα) vor Agis und den Lakedämoniern einrichtete (Paus. 8, 36,
4), so folgte man damit dem berühmt gewordenen attischen Vorbild17.
Als den Delphern aus Anlaß der Perserkriege durch Apollo ge-
weissagt wurde, zu den Winden zu beten (καί σφι έχρήσθη άνέμοισι
εΰχεσθαι) und sie daraufhin den Winden an der Kultstätte der Thyia
einen Altar errichteten (Her. 7, 178), so mögen sie an einen schon vor-
handenen Windkult angeknüpft haben18; denn Herodot berichtet, daß
man noch zu seiner Zeit in Delphi die Winde durch Opfer beschwich-
tigte (ανέμους ίλάσκονται). Ebenso mag sich in Athen der Boreaskult
an ältere Windkulte angeschlossen haben; denn Flesych s. v. Βορεασ-
μοί sagt, daß die Boreasfeste abgehalten wurden, damit die Winde
άνετοι πνέωσιν. Zwar gibt es die antike Nachricht, daß Themistokles
die Athener gelehrt habe, den Winden zu opfern19, und die moderne
Ansicht, daß es Windklute als ständige Einrichtung vor Einführung
des Boreaskultes in Athen nicht gegeben habe; beides ist wenig
glaubhaft: Denn in Athen hatte nicht nur Boreas ein Heiligtum am
Ilissos, sondern auch Zephyros einen Altar am Kephissos, nicht weit
vom heiligen Bezirk von Demeter und Kore (Paus. 1, 37, 2). Diese
Parallelität - Zephyros am Kephissos, Boreas am Ilissos - spricht
nicht dafür, daß die Einsetzung des Kultes für Boreas eine völlige
Neugründung aus dem einmaligen Anlaß der Perserkriege war.

bürg) wird Boreas als „Schwager“ der Athener bezeichnet, der einen „Tempel“
am Ilissos gehabt habe. Ich erwähne dies, weil Studierende - in der Annahme,
ein Lexikon müsse verläßlich sein - sich bereits auf diese unzutreffende Re-
portage der Angaben bei Herodot und Platon berufen.
16 Aelian, v. h. 12, 61.
17 Wenn wir auf späten Inschriften in Delos άνέμοις άπωσικάκοις oder aus Thra-
kien άνέμοις σωτήρσιν lesen, so kennen wir den Anlaß freilich nicht. Delos:
Anc. Greek inscr. in the Brit. Mus. 2 (1883) 142 Nr. 370. Thrakien: E. Kaiinka.
Ant. Denkmäler in Bulgarien 179 Nr. 200.
18 Vgl. R. Crahay, La litterature oraculaire chez Herodote (1956) 305f.
19 Aelian, nat. anim. 7, 27.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften