Wir sind durch den vorangegangenen Überblick über die griechi-
schen Windkulte soweit vorbereitet, daß wir es wagen können, im
folgenden zwei Vermutungen über Kultstätten für Winde, die eine
in Athen, die andere in Kreta, vorzutragen und zu begründen:
1. Auf der Agora von Athen wurde 1957 zwischen dem Altar des
Ares und der Panathenäenstraße, welche den Marktplatz überquert,
eine merkwürdige Anlage ausgegraben (hier Taf. V 1 „votive pit“).
Sie wurde von Homer A. Thompson, der den Befund mit der ihm
eigenen Umsicht und Sorgfalt veröffentlicht hat43, als ein „tantalizing
archaeological phenomenon“ bezeichnet. Es handelt sich um eine
kleine Kultstätte, die mindestens von der Mitte des 7. Jh. bis in das
frühe 5. Jh. v. Chr. mit Votivgaben bedacht wurde. Zu den jüngsten
Gaben zählt das Bruchstück eines rotfigurigen Volutenkraters des
Eucharides-Malers, das Beazley in die Zeit von 490-480 v. Chr. da-
tiert44. Um diese Zeit wurde die Kultstätte offenbar zerstört. Nach
Ansicht der Ausgräber gab man den Kult an dieser Stelle auf und
veranstaltete eine Zeremonie, die mit einem Opfer verbunden war.
Man sammelte einen Teil der Weihgaben und legte sie zusammen
mit den verkohlten Knochen von dem Opfer in einen sorgfältig vor-
bereiteten Behälter aus Poros-Kalkstein.
Der dickwandige Behälter (hier Taf. II 2) ruhte auf einer mas-
siven Lage von Porosplatten. Der 50 cm tiefe zylindrische Schacht
43 Hesperia 27 (1958) 148-153; vgl. Agora, Guide2 (1962) 69 mit Plan 26a. Η. A.
Thompson hat in seinem Vortrag Συνεπείαι τινες τής λατρείας των ήρώων είς
τάς αρχαίας ΆΌ'ήνας in überzeugender Weise eine Verbindung zwischen den
alten Heroenkulten im Gebiet der Agora von Athen und dem späteren Apoba-
ten-Agon bei den Panathenäen gezogen. Das Vorhandensein von alten Heroen-
kulten auf dem Gelände der späteren Agora kann nicht bezweifelt werden. Vgl.
zuletzt: E. Vermeule u. J. Travlos in Hesperia 35 (1966) 55ff. 66 m. Anm. 6.
Aber gibt es unter den Heroenmälern ein anderes, das in so eigenartiger Weise
gestaltet wäre? Und würde man bei einem Heroenkult nicht die Gebeine des
Heros als integrierenden Bestandteil erwarten (F. Pfister, Der Reliquienkult im
Altertum, passim)? In dem Bothros von der Agora aber fanden sich nur Knochen
von Opfertieren.
44 Hesperia a. 0. 152 n, Taf. 42 n.
schen Windkulte soweit vorbereitet, daß wir es wagen können, im
folgenden zwei Vermutungen über Kultstätten für Winde, die eine
in Athen, die andere in Kreta, vorzutragen und zu begründen:
1. Auf der Agora von Athen wurde 1957 zwischen dem Altar des
Ares und der Panathenäenstraße, welche den Marktplatz überquert,
eine merkwürdige Anlage ausgegraben (hier Taf. V 1 „votive pit“).
Sie wurde von Homer A. Thompson, der den Befund mit der ihm
eigenen Umsicht und Sorgfalt veröffentlicht hat43, als ein „tantalizing
archaeological phenomenon“ bezeichnet. Es handelt sich um eine
kleine Kultstätte, die mindestens von der Mitte des 7. Jh. bis in das
frühe 5. Jh. v. Chr. mit Votivgaben bedacht wurde. Zu den jüngsten
Gaben zählt das Bruchstück eines rotfigurigen Volutenkraters des
Eucharides-Malers, das Beazley in die Zeit von 490-480 v. Chr. da-
tiert44. Um diese Zeit wurde die Kultstätte offenbar zerstört. Nach
Ansicht der Ausgräber gab man den Kult an dieser Stelle auf und
veranstaltete eine Zeremonie, die mit einem Opfer verbunden war.
Man sammelte einen Teil der Weihgaben und legte sie zusammen
mit den verkohlten Knochen von dem Opfer in einen sorgfältig vor-
bereiteten Behälter aus Poros-Kalkstein.
Der dickwandige Behälter (hier Taf. II 2) ruhte auf einer mas-
siven Lage von Porosplatten. Der 50 cm tiefe zylindrische Schacht
43 Hesperia 27 (1958) 148-153; vgl. Agora, Guide2 (1962) 69 mit Plan 26a. Η. A.
Thompson hat in seinem Vortrag Συνεπείαι τινες τής λατρείας των ήρώων είς
τάς αρχαίας ΆΌ'ήνας in überzeugender Weise eine Verbindung zwischen den
alten Heroenkulten im Gebiet der Agora von Athen und dem späteren Apoba-
ten-Agon bei den Panathenäen gezogen. Das Vorhandensein von alten Heroen-
kulten auf dem Gelände der späteren Agora kann nicht bezweifelt werden. Vgl.
zuletzt: E. Vermeule u. J. Travlos in Hesperia 35 (1966) 55ff. 66 m. Anm. 6.
Aber gibt es unter den Heroenmälern ein anderes, das in so eigenartiger Weise
gestaltet wäre? Und würde man bei einem Heroenkult nicht die Gebeine des
Heros als integrierenden Bestandteil erwarten (F. Pfister, Der Reliquienkult im
Altertum, passim)? In dem Bothros von der Agora aber fanden sich nur Knochen
von Opfertieren.
44 Hesperia a. 0. 152 n, Taf. 42 n.